Pathologie

Viele Menschen denken bei dem Begriff Pathologie an Opfer von Verbrechen und an Obduktionen. Dieses Gebiet der Medizin umfasst aber sehr viel mehr. Die Pathologie ist die Lehre von allen krankhaften Veränderungen und Zuständen im Körper sowie von deren Ursachen und Entstehung.

In jedem Krankenhaus ist auch ein Pathologe tätig, der das Ärzteteam mit seinen Kenntnissen unterstützt. Auch der Patient, der seinen Hausarzt oder einen Facharzt aufsucht, kommt dann meist – wenn auch nur indirekt – mit der Pathologie und den ihr nahestehenden Bereichen in Berührung. Häufig nämlich sichern erst die Untersuchungen eines Pathologen an einem labormedizinischen Institut die Diagnose. Weil in das Fachgebiet der Pathologie im Laufe der Zeit viele neue Aufgaben gefallen sind, haben sich mehrere selbständige Fachbereiche entwickelt. Teilweise stehen diese auch anderen medizinischen Disziplinen – zum Beispiel der Inneren Medizin – sehr nahe. Man unterscheidet mittlerweile Histologie, Gerichtsmedizin oder forensische Pathologie und das große Gebiet der Labormedizin, zu dem wiederum Hämatologie, Mikrobiologie, Zytologie und Immunologie zählen. Ein Arzt kann beispielsweise aus der Blässe eines Patienten und anderen Faktoren auf eine Anämie (Blutarmut) schließen. Um diese Verdachtsdiagnose zu sichern, bedarf es jedoch der Bestätigung durch eine Blutuntersuchung. Dies geschieht in einem medizinischen Labor. Das Blut des Patienten wird dort analysiert und unter anderem die Zahl der roten Blutkörperchen ermittelt. Dieses Ergebnis gibt darüber Auskunft, ob der Patient tatsächlich anämisch ist.

Allgemeine Pathologie

Im Rahmen des medizinischen Bereichs unterscheidet man die makroskopische Pathologie und die Mikropathologie. Erstere befasst sich mit den mit bloßem Auge erkennbaren krankhaften Veränderungen an Organen und Geweben, letztere mit denen, die nur noch unter dem Mikroskop beurteilt werden können. Der Pathologe untersucht sowohl Leichen als auch Körpergewebe, das chirurgisch entfernt wurde. Es gibt mehrere Gründe, eine Obduktion – also eine Leichenöffnung zur Feststellung der Todesursache – vorzunehmen. Der Pathologe wird aktiv, wenn der Verdacht besteht, dass ein Mensch eines unnatürlichen Todes gestorben ist. Er führt ebenfalls Untersuchungen durch, wenn ein Patient kurz nach einer Operation gestorben ist oder wenn der Tod mit einer Verletzung oder mit Alkoholkonsum in Zusammenhang steht. Die Entscheidung, ob eine solche Obduktion – auch gegen den Willen der Angehörigen – durchzuführen ist, wird per Gerichtsbeschluss getroffen. Obduziert wird auch, weil ein Arzt noch genaueres über den Zustand des Patienten wissen möchte, der gestorben ist. Von Interesse kann unter anderem sein, wie weit sich eine Krankheit schon ausgebreitet hatte oder ob noch eine weitere Erkrankung vorlag. In einem solchen Fall muss der nächste Angehörige des Verstorbenen einer Obduktion zustimmen. Oft bringen solche Untersuchungen unerwartete Ergebnisse. Eine Studie ergab, dass in relativ vielen Fällen entweder eine wichtige zusätzliche Erkrankung zu der diagnostizierten vorlag oder sogar eine Fehldiagnose vom Arzt gestellt worden war. Der zentrale Aufgabenbereich der Mikropathologie liegt darin, Gewebsproben zu analysieren. Heutzutage werden in der Regel alle chirurgisch entfernten Gewebe zur Untersuchung eingeschickt. Eine genaue Diagnose kann nämlich oft erst dann gestellt werden, wenn das Gewebe durch ein Mikroskop betrachtet worden ist.

Mikropathologie

Dieses Fachgebiet der Medizin wird auch als Histologie bezeichnet. Häufig erbringen diese Gewebsuntersuchungen überraschende Ergebnisse. Unter Umständen stellt sich heraus, dass ein Muttermal entartete Zellen, also Krebszellen, enthält. Der Arzt muss dann umfassender operieren, um radikal alle Krebszellen zu entfernen. Wenn eine Gewebsprobe in der Pathologie eintrifft, wird sie zuerst etwa zwölf Stunden lang mit einem Konservierungsmittel durchtränkt. Die genaue Dauer hängt von der Größe der Gewebsprobe ab. Im Anschluss daran wird sie für 24 Stunden in Wachs oder Paraffin eingebettet, damit sich das Gewebe verfestigt und dann mit einem Spezialgerät in hauchdünne Scheiben geschnitten werden kann. Diese Aufbereitungsverfahren werden als Fixation bezeichnet. Fixation Fixierte man die Gewebsproben nicht, würde das Material beim Schneiden zerreißen; die Scheiben sind ungefähr ein zehntausendstel Zentimeter dünn. Diese Gewebsproben werden dann mit chemischen Substanzen unterschiedlich eingefärbt und mikroskopisch untersucht. Für sehr dringliche Untersuchungen kann das Verfahren durch einen Gefrier beziehungsweise Schnell schnitt beschleunigt werden. Der Chirurg schneidet zuerst nur den verdächtigen Knoten heraus und schickt ihn sofort in die histologische Abteilung. Dort wird ein kleines Stück des Knotens schockgefroren, in sehr dünne Scheiben zerschnitten, eingefärbt und dann unter dem Mikroskop untersucht. Das alles geschieht, während die Patientin noch in der Narkose liegt. Sollte nämlich ein bösartiger Tumor vorliegen, wird der Chirurg je nach Ausbreitungsgrad noch mehr Gewebe entfernen. Für diesen Fall wurde das Einverständnis vom Patienten vor der Operation eingeholt. Der Patient muss die Zustimmung nicht geben. Die weitergehende Operation kann auch als ein zweiter Eingriff vorgenommen werden. Das Schnellschnittverfahren bringt zwar schnell Ergebnisse, eignet sich jedoch nicht für alle Proben, weil das Resultat nicht immer hundertprozentig zuverlässig ist. Wenn es nur den geringsten Zweifel gibt, entscheidet sich der Chirurg immer für das schonendere Vorgehen. Die weitergehende Operation wird dann nicht eher vorgenommen, als dass der Teil der Gewebsprobe, der routinemäßig fixiert wurde, etwa zwei Tage später exakt ausgewertet ist.

Gerichtsmedizin

Diese Richtung, die forensische Pathologie, beschäftigt sich mit Gewalteinwirkungen auf den menschlichen Körper, sowohl in kriminellen als auch in anderen Fällen. Dies übt auf viele Menschen eine große Faszination aus. Zum selbständigen Fachgebiet hat sich die Gerichtsmedizin über die letzten Jahrzehnte entwickelt. Viele Leute kennen einige der gerichtsmedizinischen Untersuchungskriterien, da sie viele Kriminalfilme gesehen haben. Sie wissen zum Beispiel, dass der Zeitpunkt, zu dem der Tod eingetreten ist, über die Körpertemperatur oder das Stadium der Totenstarre bestimmt werden kann. Die Muskeln erstarren nach Eintritt des Todes in einer bestimmten Reihenfolge und entspannen sich später in derselben Reihenfolge. Auch Totenflecke und deren Anordnung und der Verwesungsgrad lassen Rückschlüsse auf den Zeitpunkt des Todes zu.

Ermittlungsarbeit

Der Polizei kann der Gerichtsmediziner oder Pathologe bei den Ermittlungen unter Umständen ganz entscheidend weiterhelfen. Ein klassisches Beispiel ist dafür der Fall eines Mörders, der wohlhabende Frauen auf seinen Bauernhof lockte, sie umbrachte und ihre Leichen dann in Schwefelsäure auflöste. Als der Hof schließlich durchsucht wurde, hob der Pathologe etwas vom Boden auf und erkannte sofort, dass es sich um den Gallenstein eines Menschen handelte. Das erregte Verdacht. Die Polizei suchte weiter und entdeckte wenig später den Zahnersatz des Opfers, dessen Identität daraufhin unter Mithilfe eines Zahnarztes festgestellt werden konnte. Im Fall eines anderen Mordes beruhte der Tatverdacht gegen einen verhafteten Mann auf der Annahme, dass der Mord neun Tage vor Auffinden der Leiche begangen worden war. Ein Zeuge sagte aus, er habe das Opfer sieben Tage zuvor noch lebend gesehen. Aufgrund dieser Aussage hätte der Verdächtige freigesprochen werden müssen, da er für diesen späteren Zeitraum ein Alibi hatte. Aber der Pathologe konnte mit Sicherheit feststellen, dass der Tod mehr als acht Tage vor dem Auffinden eingetreten war. Die Leiche war in einen Wald geworfen worden und war beim Auffinden voller Fliegenlarven. Diese folgen in ihrer Entwicklung strengen zeitlichen Gesetzmäßigkeiten. Ihr jeweiliges Entwicklungsstadium konnte also als eine Art „Todesuhr“ dienen. In diesem speziellen Fall mussten die Eier mindestens acht Tage zuvor gelegt worden sein.