Zwergwuchs

Unsere Körpergröße wird von unserer erblichen Veranlagung bestimmt. Liegt jedoch eine organisch bedingte Wachstumsstörung vor, lässt sich diese in vielen Fällen durch Früherkennung beheben.

Allgemein spricht man von Minder- bzw. Zwergwuchs, wenn die Körpergröße nach Abschluss der Wachstumsperiode weniger als 130 Zentimeter beträgt. Minderwuchs kann krankheitsbedingt sein oder durch familiäre Veranlagung hervorgerufen werden. Man muss aber bedenken, dass ein Defizit an Körpergröße nur im Vergleich zur Durchschnittsgröße von Menschen ähnlicher Abstammung von Belang ist. Vergleicht man beispielsweise einen männlichen Durchschnittseuropäer mit einem afrikanischen Massai-Krieger, ist der Europäer als kleinwüchsig zu erachten. Neben einem Angehörigen eines Pygmäen- Stammes hingegen würde derselbe Mann wie ein Riese wirken.

Was die Körpergröße angeht, unterscheiden sich nahezu gleichaltrige Menschen enorm voneinander. Anlass zur Sorge gibt es allerdings nur dann, wenn diese Körpergröße weit unterhalb der üblichen Norm liegt.

Röhrenknochen

Bestimmt wird die Körpergröße von der Länge der langen Röhrenknochen in Armen und Beinen und der Wirbelsäule. Was immer das Wachstum dieser Knochen beeinflusst, wirkt sich auf die endgültige Körpergröße aus. Der Mensch kommt mit einem Programm zur Welt, in dem seine potenzielle Körperbeschaffenheit festgelegt ist. Dieses Programm ist in den von den Eltern ererbten Genen enthalten. Durchläuft ein Baby eine von schweren Krankheiten freie Kindheit und wird es angemessen ernährt, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach die „programmierte“ Statur erlangen.

Die Wachstumsrate eines Menschen wird von verschiedenen Hormonen gesteuert, allen voran vom Wachstumshormon, das von der an der Schädelbasis sitzenden Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gebildet wird, und vom Schilddrüsenhormon Thyroxin. Das Wachstumshormon und das Schilddrüsenhormon fördern neben dem Längenwachstum auch die Zunahme der Muskelmasse und die Entwicklung körpereigener Gewebe. Das Hormon Testosteron, das im Hoden gebildet wird, fördert durch seine Eiweiß aufbauende Wirkung ebenfalls den Aufbau der Muskelmasse.

Erbfaktoren

Doch hängt die endgültige Größe eines Menschen nicht ausschließlich von der Verfügbarkeit der für das Wachstum notwendigen Nahrung und der ausreichenden Nährstoffzufuhr ab, sondern in erster Linie von den Erbfaktoren. Ursache für die häufigste Form von Zwergwuchs ist die Achondroplasie. Bei dieser Wachstumsstörung handelt es sich um eine Entwicklungsanomalie der Röhrenknochen, und zwar ist das Wachstum der Knorpelzellen in den Wachstumsfugen mangelhaft, von denen das Längenwachstum für die Knochen ausgeht. Die Entwicklung der Röhrenknochen bleibt aus. Das Längenwachstum der Knochen ist stark eingeschränkt, während das Dickenwachstum normal ist.

Das Mittelstück der Röhrenknochen (Diaphysen) ist stark verkürzt, und die Knochenenden sind becherförmig aufgetrieben. Die Beine der Betroffenen sind O-förmig, sie haben ein Hohlkreuz, und die Nasenwurzel ist infolge des frühzeitigen Schlusses der Wachstumsfugen eingezogen. Der Rumpf ist bei ihnen meist normal groß, während Arme und Beine nur halb so lang sind wie üblich. Diese Störung wird von den Eltern weitergegeben (dominante Vererbung). Leidet ein Elternteil an Achondroplasie, besteht eine Wahrscheinlichkeit von 1:2, dass das Kind in ähnlicher Weise betroffen sein wird. Selten bekommt ein normalwüchsiges Elternpaar, in dessen Verwandtschaft niemand an dieser Störung leidet, ein Kind mit Achondroplasie.

Menschen mit Achondroplasie besitzen eine normale Intelligenz und können mit einer normalen Lebenserwartung rechnen, leiden aber aufgrund einer Überlastung der Gelenke später oft an Arthrose (Gelenkverschleiß).

Hypophysärer Zwergwuchs

Diese spezielle Variante der Kleinwüchsigkeit zählt zu jenen Formen, die von Ärzten besonders schwierig zu diagnostizieren sind. Der hypophysäre Zwergwuchs lässt sich heute mit Wachstumshormon behandeln. Ursache kann ein Geburtstrauma (Geburt in Beckenendlage) sein sowie eine Fehlbildung der Hypophyse. Diese Kinder sind bei der Geburt normal groß, und der Wachstumsrückstand wird meistens erst im dritten oder vierten Lebensjahr bemerkt. Charakteristisch ist, dass der Kopf der Kinder relativ groß ist, während die Hände und Füße auffällig klein sind.

Auch am Gesicht fallen typische Kennzeichen auf. So sind Nase und Kinn sehr klein. Immer besteht eine Fettsucht. Die meisten der für ihr Alter zu kleinen Kinder sind dies aber einfach deshalb, weil die Eltern nicht groß sind. Manchmal wachsen sie auch nur langsamer als üblich. Um die mögliche Ursache für die zu geringe Körpergröße zu ergründen, muss ein Kinderarzt die Familiengeschichte überprüfen und den Wachstumsverlauf des Kindes in eine Tabelle mit den normalen Körpergrößen für jede Altersgruppe eintragen. In der Regel wird auch das Wachstumstempo ermittelt, indem man die Körpergröße des Kindes etwa ein Jahr lang in bestimmten Abständen misst.

Hält der Arzt eine Störung in der Wachstumshormonbildung für denkbar, werden Spezialtests durchgeführt – unter anderem Blutuntersuchungen und Röntgenaufnahmen von Kopf und Skelett. Liegt ein Mangel des Wachstumshormons vor, wird es durch synthetisches Hormon ersetzt.

Schilddrüsenstörung

Das Schilddrüsenhormon ist für zahlreiche Prozesse im Körper, einschließlich des Wachstums, unentbehrlich. Jede im Laufe der Kindheit auftretende Schilddrüsenanomalie kann das Wachstum hemmen. Fehlt aber bei der Geburt funktionstüchtiges Schilddrüsengewebe (Aplasie) oder ist bestehendes Gewebe nicht richtig entwickelt, können sich schwerste, meist irreparable (nicht wieder zu korrigierende) Störungen entwickeln, wenn die Krankheit nicht rechtzeitig behandelt wird. Die Symptome und die Folgen bei dieser Erkrankung sind für die gesamte Entwicklung viel extremer als bei einer Schilddrüsenunterfunktion. Nach der Geburt fallen die betroffenen Kinder durch Atemnot, Blausucht (Zyanose), Gelbsucht, heiseres Schreien und durch ausgeprägte Trinkfaulheit auf. Diese Krankheit erfordert hohe Aufmerksamkeit, und es finden ständige Untersuchungen der Schilddrüsenhormone statt. Die Behandlung muss – sobald die Diagnose gesichert ist – eingeleitet werden, um eine Störung der geistigen Entwicklung zu verhindern.