Die Zuckerkrankheit ist heutzutage lange nicht mehr so gefürchtet wie in den vergangenen Jahrhunderten. Seit den zwanziger Jahren gibt es wirksame Therapien, die durch die Forschung zudem ständig verbessert werden.
Zuckerkranke beziehungsweise Diabetiker leiden an einem zu hohen Blutzuckerspiegel. Während beim Gesunden im nüchternen Zustand, also morgens vor jeglicher Nahrungsaufnahme, der Blutzuckergehalt 100 Milligramm pro Deziliter (mg/dl) nicht übersteigt, liegen die Werte beim unbehandelten Diabetiker stets höher. Die Krankheit und ihre Symptome sind seit Jahrhunderten bekannt. Die fachsprachliche Bezeichnung – Diabetes mellitus – weist auf zwei der beobachteten Symptome hin. Vom Diabetes (griech. Durchfließen) sprachen schon die Ärzte der Antike, weil die Patienten große Mengen Urin ausscheiden. Sie litten ständig unter Durst, tranken viel und nahmen dabei ab.
Mellitus (lat. honigsüß) setzte man hinzu, als man entdeckte, dass der Urin der meisten Zuckerkranken ungewöhnlich süß ist. Die wenigen Fälle, in denen das nicht zutraf, wurden als Diabetes insipidus (lat. fade, geschmacksfrei) abgegrenzt. Die Patienten scheiden 20 Liter Urin und mehr pro Tag aus. Dabei sind sie von einem quälenden, unstillbaren Durst geplagt. Sie trinken schließlich alles, was ihnen in das Blickfeld gerät und erreichbar ist, einschließlich Blumenwasser. Der Diabetes insipidus beruht auf einem Versagen der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) beziehungsweise einem Mangel an ADH, dem antidiuretischen Hormon der Hypophyse, das den Wasserhaushalt des Körpers regulieren hilft.
Insulinmangel
Zum Diabetes mellitus kommt es, wenn der Körper das Hormon Insulin gar nicht oder in zu geringer Menge produziert. Das Insulin bewirkt, dass der Zucker aus dem Blut (Blutzucker) in die Zellen übertritt, wo er als Energie spendender Brennstoff verwertet wird. Fehlt das Hormon, kann der Blutzucker nicht in die Zellen gelangen und steigt der Blutzuckerspiegel zu sehr an. Es kommt zu einem Energiemangel in den Zellen. Versucht der Organismus dann, den Mangel auszugleichen, entgleist der Stoffwechsel und der Körper ist übersäuert. Der Betroffene fällt möglicherweise in ein Koma. Langfristig schädigt der hohe Zuckeranteil im Blut die Gefäße, Organe Und andere Gewebe.
Das Hormon Insulin wird in den Langerhans-Inseln, bestimmten Zellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas), gebildet. Übersteigt der Blutzuckerspiegel ein gewisses Niveau, schütten die Langerhans-Inseln so viel Insulin in die Blutbahn aus, dass der Zuckerspiegel auf sein normales Maß einreguliert wird.
Insulinmangel kann durch Injektionen von tierischem und von synthetisch oder gentechnisch hergestelltem Insulin ausgeglichen werden. Letzteres wird als Humaninsulin bezeichnet und entspricht in seiner Struktur dem des Menschen. Nebenwirkungen, wie Immunreaktionen mit Antikörperbildung, treten unter der Behandlung mit Humaninsulin kaum noch auf. Zur Produktion von Humaninsulin wird speziellen, im Labor gezüchteten Bakterienstämmen ein Gen übertragen, das sie zur Bildung von Humaninsulin anregt. Dieses kann den wachsenden Bakterien entnommen und dann in gereinigtem Zustand Diabetikern zugeführt werden.
Heutzutage werden von den Medizinern zwei Formen von Diabetes mellitus unterschieden: Diabetes vom Typ-I und Diabetes vom Typ-II. Der Typ-I-Diabetes betrifft in aller Regel Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Die Insulinproduktion ist bei ihnen so unzureichend, dass sie mit Insulin behandelt werden müssen. Man spricht daher auch vom insulinabhängigen Diabetes oder vom Jugenddiabetes.
Altersdiabetes
Der Typ-II-Diabetes ist vorwiegend bei Erwachsenen und besonders bei älteren Menschen anzutreffen. Häufig reichen in solchen Fällen eine Gewichtsabnahme und eine strenge Diät zur Therapie aus. Andere Bezeichnungen sind: insulinunabhängiger Diabetes und Altersdiabetes. Im Verlauf von Jahren kann aber auch bei dieser Diabetesform eine Insulintherapie notwendig werden. Die Zahl der Diabetiker scheint mit dem Lebensstandard und dem Phänomen der Überernährung in unserer Gesellschaft zu steigen.
Beim Diabetes vom Typ-I ist die Insulinproduktion häufig bis auf zehn Prozent erloschen. Die Ursachen sind zum Teil noch ungeklärt. Relativ oft beginnt die Erkrankung nach einer Virusinfektion, wie Röteln, Mumps oder Masern. Dies berechtigt zu der Annahme, dass virale Infekte eine auslösende Rolle spielen. Durch die Virusinfektion kommt es zu einer geringen Schädigung der Langerhans-Inseln und bei entsprechender Disposition (ererbte Veranlagung) dann zu einer Immunreaktion gegen diese Zellen. Schließlich sind die insulinproduzierenden Anteile des Pankreas extrem geschädigt oder zerstört, und es besteht ein absoluter Insulinmangel.
Vorstadien
Die Erkrankung beginnt meist zwischen dem 15. und 24. Lebensjahr und wird in vielen Fällen erst durch eine massive Stoffwechselentgleisung entdeckt, die zum Koma geführt hat. Die Vorstadien einer solchen akuten Stoffwechselentgleisung sind häufig durch Appetitlosigkeit, Abmagerung, vermehrten Durst, gesteigerte Harnausscheidung und Schwäche oder Müdigkeit gekennzeichnet. Das Koma setzt dann auf Grund der sauren Stoffwechsellage ein, die sich infolge des extremen Insulinmangels ergibt. Neben der Zuckerverwertung ist nämlich auch die Fettverwertung gestört. Anstelle von Zucker werden zur Energiegewinnung Fette und Proteine abgebaut. Dieser Abbau führt zu einer Anhäufung von sauren Stoffwechselprodukten (Ketonkörpern). Der Körper ist übersäuert.
Durch vermehrte tiefe Atmung versucht der Organismus der sauren Stoffwechselsituation entgegenzuwirken. Charakteristisch ist dafür der fruchtartige Azetongeruch der Atemluft. Erfolgt nicht umgehend eine Insulinzufuhr, fällt der Patient in ein tiefes Koma mit Blutdruckabfall und Kreislaufzusammenbruch. Die drei Säulen der langfristigen Behandlung des Diabetes vom Typ-I sind Insulinzufuhr, Diät und Schulung beziheungsweise Aufklärung.
Die Insulindosierung wird in der Klinik festgelegt (InsulineinsteIlung). Das Insulin muss gespritzt werden, da es bei oraler Zufuhr durch den Magensaft zerstört werden würde. Heutzutage wird vorwiegend das gentechnisch hergestellte Humaninsulin verordnet. Neben der optimalen InsulineinsteIlung ist die richtige Diät der entscheidende Faktor in der Diabetesbehandlung. Der Diabetiker und seine Familie müssen lernen, Joule und Broteinheiten zu berechnen. In der Schulung wird versucht, dem Patienten seine Erkrankung verständlich zu machen. Der Patient erlernt nicht nur die richtige Injektionstechnik, sondern wird auch mit den Grundregeln der Diabetes-Diät vertraut gemacht. Neben diesen Faktoren spielt die regelmäßige Lebensführung eine entscheidende Rolle.
Zur Krankheits-Lexikon Schnellübersicht
Zu den andere Krankheiten