Transplantation

Sind lebenswichtige Körperbereiche durch Unfall oder Krankheit schwer geschädigt und zerstört, werden Ersatzgewebe oder -organe transplantiert. Für diese Verpflanzungen eignen sich diverse Arten von Gewebe. Viele Menschen empfinden beim Thema Transplantation ein gewisses Unbehagen. Es scheint ihnen ein unnatürlicher und schmerzhafter Vorgang zu sein, beispielsweise einen Hautlappen einem Körperbereich zu entnehmen und in einen anderen zu verpflanzen beziehungsweise dort an- und weiterwachsen zu lassen. Dieser Prozess ist aber weder unnatürlich noch für den Patienten schmerzhaft. Die Operation wird grundsätzlich unter Vollnarkose vorgenommen, und die anschließenden Beschwerden werden durch die Verabreichung von Schmerzmitteln erträglich gemacht. In wenigen Fällen darf sich der Operierte einige Tage lang nicht bewegen, damit das verpflanzte Gewebe während der ersten, etwas heiklen Heilungsphase keinen Schaden nimmt. Die meisten Patienten jedoch dürfen kurze Zeit nach der Operation aufstehen und sich Bewegung verschaffen. Wichtig zu wissen ist auch, dass die Transplantation einen natürlichen Vorgang zur Voraussetzung hat, nämlich die Selbstheilung des Körpers.

Transplantate

Am häufigsten wird den Patienten körpereigenes Gewebe verpflanzt, meist Haut. Man verwendet Hautgewebe normalerweise zur Versorgung von Wunden oder Verbrennungen, mit denen große Hautverluste oder irreparable Hautschäden einhergehen. Das verpflanzte körpereigene Gewebe wird auch als Autotransplantat bezeichnet. Ist Knochengewebe in großem Umfang zerstört worden, etwa durch Unfall oder Tumore, wird es mit Knochengewebe von Verstorbenen wiederhergestellt. Diese müssen sich vor ihrem Tod mit Organ- und Gewebespenden einverstanden erklärt haben und einen Organspenderausweis haben. Das Abstoßungsrisiko, das mit der Verpflanzung von körperfremdem Material einhergeht, wird durch eine Behandlung mit Kälte sowie mit Glyzerin vermindert. Die fremden Knochenzellen sind kein lebendes Material, regen aber umgehend die Neubildung von Knochen beim Empfänger an.

Allogenes Material

Mit der Verbesserung der Operationsverfahren und der medizinischen Versorgung erweitert sich das Spektrum der von Person zu Person verpflanzbaren Gewebe und Organe laufend. Neben der – mittlerweile seit vielen Jahren üblichen – Nierentransplantation ist heutzutage auch die Verpflanzung von Herz, Lunge und Leber eines kurz zuvor verstorbenen Menschen möglich. Besonders häufig wird die Hornhaut des Auges transplantiert. Die Gewebe, die zwischen genetisch nicht verwandten Mitgliedern einer Spezies, also von Mensch zu Mensch, übertragen werden, bezeichnet man als Allotransplantate. Material, das zwischen Mitgliedern verschiedener Spezies, also von Tier zu Mensch, übertragen wird, heißt in der Fachsprache Xenotransplantat. Bestimmte Gewebe von Tieren, meist Arterien und Herzklappen, lassen sich relativ problemlos auf den Menschen übertragen.

Synthetisches Material

Der Begriff Transplantation schließt auch den Ersatz von Körpergewebe durch synthetische (künstlich hergestellte) Materialien ein. Unter anderem kommen Materialien wie Stahl – beispielsweise als Hüftgelenkersatz – sowie verschiedene Kunststoffe und Metall-Legierungen zum Einsatz. Hauptproblem bei der Transplantation ist die Abstoßung. Einfach ausgedrückt: Der Organismus des Patienten erkennt das neue Gewebe als fremd und weist beziehungsweise stößt es ab. Wir verfügen nämlich über eine natürliche Körperabwehr, das Immunsystem, das in kurzer Zeit alles erkennt, was eine andersartige Zusammensetzung hat als die körpereigenen Substanzen und demnach dem Körper schaden könnte. Normalerweise handelt es sich bei solchen Fremdkörpern um Krankheitserreger. Zu ihrer Bekämpfung schickt der Organismus Abwehrzellen an den Infektionsort, wo sie die Eindringlinge vernichten beziehungsweise unschädlich machen. Im Fall einer Transplantatabstoßung vollzieht sich ebenfalls dieser Vorgang. Der betroffene Bereich entzündet sich, Abwehrzellen wandern ein, und das Transplantat wird zerstört. Da der Körper ein Autotransplantat als sein eigenes und nicht als fremdes Gewebe erkennt, besteht keine Gefahr der Abstoßung durch das Immunsystem. Bei einem Allotransplantat ist das Ausmaß der Abstoßung unterschiedlich – es sei denn, Spender und Empfänger sind eineiige Zwillinge, die sich aus ein und derselben Eizelle entwickelt haben und daher einander bis in die feinste Zellstruktur gleichen.

Kampf gegen die Abstoßung

Eine Ausnahme von der Regel bildet die Hornhaut des Auges. Sie lässt sich ohne das Risiko einer Abstoßung von einem beliebigen Spender auf eine andere Person verpflanzen. Der Grund dafür ist, dass die Hornhaut keine Blutgefäße hat und deshalb für die Abwehrzellen nicht erreichbar ist. Bei allen anderen Allotransplantaten wird durch genaue Gewebeuntersuchungen und -vergleiche sichergestellt, dass Spender- und Empfängerzellen einander möglichst ähnlich sind. Beide Personen müssen nicht nur dieselbe Blutgruppe haben, sondern auch im Gewebstyp weitgehend zusammenpassen. Zur Bestimmung des Gewebstyps werden eine Reihe von Tests mit den weißen Blutkörperchen (Leukozyten) von Spender und Empfänger durchgeführt. Eine möglichst weitgehende Übereinstimmung der Gewebe von Spender und Empfänger ist bei allen Formen von Organtransplantationen besonders wichtig. Gewebe von Tieren, also Xenotransplantate, müssen zur Reduzierung des Abstoßungsrisikos sehr sorgfältig chemisch aufbereitet werden. Knorpelige Anteile halten einer solchen Behandlung am besten stand und werden deshalb am häufigsten verwendet.

Das Verfahren

Für die einfachste Form der Hauttransplantation trägt der Chirurg mit einem rasierklingenscharfen Spezialmesser an geeigneter Stelle einige Hautinseln ab. Normalerweise wählt man dazu wegen der relativ ebenen Hautfläche und ziemlich gleichmäßigen Hautbeschaffenheit den Oberschenkel oder die Innenseite des Unterarms. Dabei bleiben genügend Schichten zurück, so dass die Haut an dieser Stelle unter nur geringfügiger Narbenbildung nachwächst und wieder ihre ursprüngliche Stärke erreicht. Das papierdünne Transplantat, auch Spalthautlappen genannt, wird auf den gereinigten und vorbereiteten Wundbezirk aufgelegt und eventuell nicht einmal angenäht, sondern nur durch einen Verband gesichert. Der Hautlappen braucht nicht den gesamten Wundgrund zu bedecken, weil die neue Haut während des im Durchschnitt zwei Wochen dauernden Heilungsprozesses nach außen wächst und die Lücken überzieht. Bei einer großflächigen Hautverpflanzung, beispielsweise einer ausgedehnten Brandwunde, wird eventuell ein kleiner Hautlappen, ein Spalthautlappen, zu einem Maschentransplantat vergrößert, mit dem der Arzt dann den Wundbezirk überzieht. Dank dieser Methode kommt man mit wenig Spenderhaut aus. Um zu verhindern, dass sich Flüssigkeit in der Wunde ansammelt, die den Heilungsprozess hemmen könnte, wird der Verband mit leichtem Druck als Kompresse angelegt. Wichtigster Vorgang während der Heilung ist das Vordringen von Kapillaren (kleinen Blutgefäßen) aus dem umgebenden Gewebe in das Transplantat. So wird dessen Blutversorgung wiederhergestellt; das Transplantat ist angewachsen.

Ganzhautplastik

Bei dieser Form der Transplantation werden nicht papierdünne Spalthautlappen, sondern Vollhautlappen verpflanzt. Diese umfassen jeweils eine vollständige Hautschicht, die während der Heilung nicht so leicht schrumpft wie ein Spalthautlappen und fast ohne sichtbare Narbenbildung verheilt. Sie muss allerdings in Stärke, Farbe und Behaarung sorgfältig angepasst werden. Vollhauttransplantate werden meist in der Gesichtsplastik (chirurgische Formung zerstörten Gewebes) und zur Wiederherstellung von druck- und zugbelasteten Körperpartien verwendet. Da sich Haut dehnt, reicht es, die Entnahmestelle zur Wiederherstellung einfach zu nähen. Von der zurückbleibenden Narbe ist so gut wie nichts zu sehen. Das Ganzhauttransplantat erfordert allerdings eine stärkere Durchblutung als ein Spalthautlappen. Um diese zu gewährleisten, verpflanzt der Chirurg den Vollhautlappen als Stieltransplantat. Zur Abdeckung einer Wunde, beispielsweise an der Wade, wird ein Vollhautlappen von der Wade des gesunden Beines gelöst, an einer Seite aber nicht durchtrennt. Dann näht der Arzt das Transplantat mit den freien Rändern an der abzudeckenden Stelle an und fixiert beide Beine, damit das Transplantat nicht durch Bewegung zerstört wird. Dank der nicht unterbrochenen Durchblutung vom gesunden Bein her bleibt der Hautlappen gut ernährt. Hat sich dann nach einiger Zeit im Verpflanzungsbereich eine eigenständige Blutversorgung für das transplantierte Gewebe entwickelt, wird der Hautlappen vollständig von der Entnahmestelle abgetrennt und diese genäht. Blutzellen werden hauptsächlich im Knochenmark gebildet. Versagt dieses, beispielsweise infolge einer Erkrankung, wird der Zustand des Patienten unter Umständen schnell kritisch. Ein Grund kann dafür sein, dass nicht mehr genug Abwehrzellen produziert werden und der Patient schließlich einer Reihe von Infektionen erliegt. Entwickelt wurde die Knochenmarkübertragung als Therapie bei Leukämie, einer bösartigen Entartung der Knochenmarkzellen. Sie teilen sich anomal und produzieren zu viele und unreife weiße Blutkörperchen (Leukozyten).

Knochenmarktransplantation

Soll einem Leukämie-Patienten Knochenmark übertragen werden, wählt man einen lebenden Spender, dessen Gewebstyp dem des Patienten so ähnlich wie möglich ist. Zunächst werden durch Spezialmedikamente und Ganzkörperbestrahlung alle anomalen Körperzellen des Patienten zerstört. Anschließend entnimmt man dem Spender unter Narkose Knochenmark und führt es dem Empfänger über eine intravenöse Tropfinfusion zu. Die Zellen finden ihren Weg in die Knochenmarkhöhlen, wo sie mit der Bildung neuer Blutkörperchen beginnen.