Stummheit

Das Sprachvermögen ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Manchen Menschen fehlt jedoch diese natürliche Begabung, und zwar aus unterschiedlichen GrÜnden.Sie müssen auf andere Kommunikationsmöglichkeiten zurückgreifen.

Mit Stummheit bezeichnet man das Unvermögen, zu sprechen oder Wörter verständlich zu artikulieren. Kinder wie Erwachsene können betroffen sein. Der Stummheit können organische oder psychische Ursachen zugrunde liegen.

Ursachen bei Kindern

Kinder erlernen das Sprechen durch Hören der Sprache anderer Menschen und der Laute, die sie selbst bilden. Ein gehörloses Kind gibt in seinen ersten Lebensmonaten die üblichen Kleinkindgeräusche von sich. Doch während andere Kinder im Alter von sechs Monaten mit dem Spracherwerb beginnen, wird diese Entwicklung bei gehörlosen Kindern blockiert.

Taubheit wird heute durch die ohrenärztliche Frühuntersuchung bei Kindern erkannt. Die rechtzeitige Anpassung eines Hörgerätes und der frühe Beginn einer Sprachtherapie ermöglichen auch diesen Kindern in den meisten Fällen, sprechen zu lernen. Wenn allerdings eine schwere Intelligenzminderung oder ausgeprägter Autismus (krankhafte Ichbezogenheit) vorliegt, lernen gehörlose Kinder niemals sprechen. Kinder mit schweren autistischen Störungen sind nicht in der Lage, normal sprechen zu lernen. Sie sind entweder stumm oder nicht fähig, die Sprache als Mittel der Verständigung zu gebrauchen und wiederholen ständig bestimmte Sätze ohne Bedeutung. Autistische Kleinkinder plappern weniger als gesunde Kinder, ihr Spektrum an Lauten ist nicht groß.

Neuesten Forschungen zufolge sind Sprachstörungen das zentrale Problem autistischer Kinder. Es bedingt weitere Störungen, da das Kind Schwierigkeiten hat, Zusammenhänge zu verstehen oder verständlich zu machen. Kindern mit stark ausgeprägtem Intelligenzmangel fällt das Erfassen des gesamten Sprachinhaltes schwer. Ihr Sprachvermögen ist häufig auf die Grundbedürfnisse des Lebens beschränkt. Vielfach haben stark minderbegabte Kinder eine verzögerte Sprechentwicklung und erwerben die Sprachfähigkeit oft nur unzureichend.

Spastische Lähmungen können auf dem Boden einer zerebralen Lähmung (Lähmung von Gehirnnerven) entstehen, die dann den Sprechapparat (zum Beispiel Lippen, Zunge und Gaumen) daran hindert, sich den Spracherfordernissen entsprechend schnell und exakt in Bewegung und Stellung anzupassen. In schweren Fällen sind die Kinder außerstande, die Sprechmuskulatur zu kontrollieren oder in Einklang zu bringen, und können keine wortgerechten Laute bilden.

Aphasie

Ist das Sprachzentrum geschädigt (Aphasie), können sich Sprachstörungen entwickeln. Die Aphasie beeinträchtigt die Entfaltung von Sprechprozess, Wortverständnis und Wortbildung. Das Kind wird kaum plappern oder sich sogar völlig stumm verhalten. Der Wortschatz baut sich – wenn überhaupt – nur sehr langsam auf. Falls sich ein Sprachvermögen entwickelt, werden Wörter in falscher Reihenfolge gesetzt, ausgelassen oder zusätzlich hinzugefügt. Ältere Kinder können dazu neigen, Wörter falsch zu artikulieren. Nach einem traumatischen Erlebnis, so dem Tod eines Elternteils, können Kinder mit Schweigen (Mutismus) reagieren. In diesen sehr seltenen Fällen stellen die Kinder aus psychischen Gründen den sprachlichen Kontakt ein. Der Sprachfluss verläuft wieder normal, sobald Kinder mit diesen Symptomen ihre Sprache zurückerlangen.

Ursachen bei Erwachsenen

Aphasie wird durch Erkrankungen, wie Schlaganfall und Hirnblutung, oder durch Verletzung verursacht. Bei der motorischen Aphasie sind das spontane Sprechen und das Nachsprechen gestört. Das Sprachverständnis ist erhalten. Leidet der Patient unter sensorischer Aphasie, beherrscht er das spontane Sprechen, jedoch ist sein Wortverständnis beeinträchtigt oder aufgehoben. Bei globaler Aphasie sind Sprachfähigkeit und Wortverständnis gestört. Eine Erkrankung der Stimmbänder hat kaum einen vollständigen Stimmverlust zur Folge. Häufig ist das erste Symptom Heiserkeit. Störungen der Hals- und Brustnerven können jedoch eine Stimmbandlähmung auslösen und zum Verlust der Stimme führen.

Wird bei Kehlkopfkrebs operativ der Kehlkopf entfernt, so geht damit das Sprechvermögen verloren. Weit verbreitet ist der Sprachverlust als Folge emotionaler Erregung. Stummheit kann zeitweilig bei psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie und manisch-depressiven Erkrankungen auftreten.

Behandlung von Kindern

Die Therapie richtet sich nach der jeweiligen Grunderkrankung. Bei gehörlosen Kindern ist die frühzeitige Anpassung einer Hörhilfe erforderlich, um dann die Sprachtherapie einzuleiten. Bewirkt ein Hörgerät keine Verbesserung des Hörens, ist das. Erlernen der Zeichensprache eine wertvolle Hilfe. Die Therapie für autistische und minderbegabte Kinder und für Kinder mit zerebralen Störungen soll am Anfang zum Verständnis einer einfachen Sprachform ermutigen, etwa mit Hilfe von Spielen. Später lassen sich durch Nachahmung Worte einüben.

Für die Behandlungsdauer gibt es keine allgemeingültigen Regeln. Eine Therapie können Lehrer für Gehörlose, Logopäden (Sprachtherapeuten) und – im Falle von Mutismus – auch Psychiater und Psychologen durchführen. Erworbene Stummheit ist ein Symptom emotionaler Störungen. Die Therapien richten sich entweder auf eine Veränderung des Umfeldes, oder sie helfen dem Kind, zum Umgang mit seinem emotionalen Problem zu finden.

Behandlung von Erwachsenen

Die Aphasiebehandlung zielt darauf, das spontane Sprechen zu erlernen oder das Wortverständnis wiederherzustellen. Mit Hilfe grafischer Darstellungen wird dem Patienten gezeigt, wie Wortlaute entstehen, die er dann nachsprechen soll. Ebenfalls werden bei Wortverständnis- und Worterinnerungsstörungen Bilder aufgezeigt und benannt. Auf einfacher Ebene übt man die Zuordnung von Bild zu Bild und von Bild zu Gegenstand. Der nächste Schritt fördert dann das Leseverständnis.