Strahlentherapie

Die Behandlung von Krankheiten mit Röntgenstrahlen oder anderen radioaktiven Substanzen ist eine wirksame Waffe im Kampf gegen viele Arten von Krebs. In der Medizin haben vor allem die Röntgen- und Gammastrahlen große Bedeutung. Röntgenstrahlen stellt man künstlich her, indem man in einer Röntgenröhre eine hohe elektrische Spannung an eine kleine Wolframkathode anlegt.

Gammastrahlen werden von radioaktiven Stoffen wie Radium, Kobalt und Cäsium beim Zerfall ausgesandt. Als die Röntgenstrahlen 1895 von dem deutschen Physiker Carl Wilhelm Röntgen entdeckt wurden, standen nur schwache Quellen zur Verfügung. Man konnte lediglich Hauttumore erfolgreich durch Bestrahlung behandeln, denn die energieschwachen Röntgenstrahlen dieser Quellen drangen nur ein kurzes Stück in das Gewebe ein. Es war aber möglich, Röntgenbilder anzufertigen. Inzwischen weiß man viel mehr über die verschiedenen Strahlenquellen und die Eigenschaften der Strahlen. Durch Bestrahlung kann man abnorme Körperzellen am Wachstum und an der Ausbreitung hindern. Alle lebenden Zellen erleiden Schaden, wenn sie Röntgen- oder Gammastrahlen ausgesetzt werden. Jedoch sind wachsende oder sich teilende Zellen gegenüber Strahlen empfindlicher. Da Krebszellen schneller wachsen als normale Zellen, sind sie besonders leicht durch Strahlen zu schädigen. Krebszellen erholen sich außerdem langsamer von den Auswirkungen einer Bestrahlung. Bestrahlung mit Röntgen- oder Gammastrahlen zerstört auch kleine Blutgefäße, die die Tumorzellen ernähren. Deshalb sterben diese Zellen nach einer Bestrahlung infolge Sauerstoffmangels ab. Geschädigte Tumorzellen können durch die körpereigene Abwehr leichter eliminiert werden. Das Gewebe in der Umgebung des Tumors hält zwar solcher Bestrahlung besser stand, trägt aber einen gewissen Schaden davon. Vor allem die Gefahr, gesundes Gewebe zu schädigen, setzt der Strahlendosis, die zu Therapiezwecken eingesetzt werden kann, Grenzen.

Arten der Strahlentherapie

Die vielen verschiedenen Röntgengeräte, die heute in Gebrauch sind, unterscheiden sich vor allem in der Stärke der Röntgenstrahlen, die sie erzeugen. Wenn ein Tumor in oder dicht unter der Haut liegt, wäre es unangemessen, starke Röntgenstrahlen zu verwenden, die tief in den Körper eindringen und dort normales Gewebe schädigen würden. Umgekehrt hat es keinen Sinn, beispielsweise einen Lungentumor mit schwachen Röntgenstrahlen zu behandeln; diese Strahlen würden nicht tief genug in den Körper eindringen. Deshalb werden Röntgenstrahlen geringer Intensität für die Behandlung von Hauttumoren eingesetzt, solche mit hoher Energie für tiefer liegende Tumore, allerdings nicht viel tiefer als fünf Zentimeter unter der Haut. Die verwendete Energiemenge wird in Kilovolt (kV) gemessen. Ein Kilovolt entspricht 1000 Volt. Da es schwierig ist, mit Röntgengeräten Hochenergiestrahlen zu erzeugen, benutzt man bei tiefer liegenden Tumoren häufiger Gammastrahlen. Als Gammastrahler dient meistens eine bestimmte Menge eines radioaktiven Isotops von Cäsium oder Kobalt, die von einer dicken Bleihülle eingeschlossen ist (Kobaltbombe). Ein kleines „Fenster“ in der Ummantelung wird während der Behandlung geöffnet, so dass die Gammastrahlen gezielt austreten können. Man verwendet in der Strahlentherapie auch beschleunigte Elektronen, die im Betatron oder Linearbeschleuniger erzeugt werden. Dieses Verfahren wird heute zunehmend anstelle der Kobaltbombe eingesetzt. Beim Einsatz starker radioaktiver Strahlen müssen Vorkehrungen getroffen werden, um das gesunde Gewebe vor einer Bestrahlung zu schützen. So arbeitet man jeweils mit dem schmalsten Röntgenstrahlbündel, das noch den ganzen Tumor erfasst. Gesunde Bereiche werden durch Bleiabdeckung (z.B. Bleischürze) geschützt. Besonderen Schutz gibt es auch für die Keimdrüsen. Für bestimmte Partien- beispielsweise das Gesicht – wird eigens eine Bleimaske angefertigt, die nur eine Öffnung über der zu behandelnden Stelle aufweist. Bei einem tiefer liegenden Tumor kann die Röntgenstrahldosis für die Oberflächengewebe dadurch verringert werden, dass man verschiedene Eintrittspforten für die Strahlung wählt. Der Tumor wird also nacheinander aus verschiedenen Winkeln bestrahlt. Dieses Verfahren bezeichnet man als Mehrfeldtechnik. Man kann auch radioaktive Substanzen in den Körper einbringen und für eine Strahlenbehandlung nutzen. Nadeln, Stifte, Drähte oder kleine Kügelchen radioaktiven Materials werden dicht neben oder in den Tumor eingepflanzt. Dabei werden gesunde Bereiche normalerweise nicht geschädigt.

Zur Behandlung von Krebserkrankungen hat die Medizin mittlerweile verschiedene Methoden entwickelt. Die drei klassischen Formen der Krebstherapie sind die Operation, die Strahlentherapie und die medikamentöse Behandlung (Chemotherapie), die auch miteinander kombiniert angewendet werden. Die Wahl der Therapie hängt nicht nur von der Art des Krebses ab, sondern auch davon, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. Eine Operation wird im allgemeinen dann durchgeführt, wenn ein Tumor für zugänglich und leicht entfernbar gehalten wird, vorausgesetzt, es liegen keine Anzeichen dafür vor, dass er sich schon über die Blutbahn in andere Körperbereiche ausgebreitet hat. Eine Chemotherapie kann angezeigt sein, wenn eine Ausbreitung von Krebszellen vermutet wird. Die verabreichten Medikamente (Zytostatika) wirken auf den gesamten Körper. Eine Operation oder Strahlentherapie erfasst dagegen immer nur ein bestimmtes Gebiet. Bei manchen, gegen Bestrahlung sensiblen Tumoren lässt sich oft allein durch eine Strahlenbehandlung eine Heilung erzielen. So etwa bei einer bestimmten Form des Lymphdrüsenkrebses (Morbus Hodgkin). In vielen Fällen wird die Strahlentherapie jedoch mit anderen Behandlungsarten kombiniert. Sie ist auch hilfreich, um belastende Symptome bei Patienten zu lindern, bei denen eine vollständige Heilung nicht mehr für möglich gehalten wird.

Die Entscheidung, ob eine Strahlentherapie durchgeführt und welche Methode angewendet werden sollte, trifft im allgemeinen ein Ärzteteam. Die Art und Weise der Behandlung wird dann mit dem Patienten umfassend besprochen. Für den Kranken ist dies zumeist eine Zeit großer seelischer Belastung. Man sollte sich dann nicht scheuen, mit dem Arzt über mögliche Ängste und Sorgen zu reden. Die Therapieplanung übernimmt der behandelnde Facharzt in Zusammenarbeit mit einem Nuklearmediziner. Die genaue Lage des Tumors wird anhand einer Röntgenaufnahme oder eines Tomogramms (Röntgen-Schichtaufnahme) ermittelt. Mit Hilfe eines Computers errechnet der Arzt dann die erforderliche Energie, Dosierung und Ausrichtung der Bestrahlung. Die Bestrahlungszielgebiete oder „Felder“ zeichnet der Arzt auf die Haut des Patienten. Diese dauerhaften Markierungen sind notwendig, damit der Patient bei jeder Strahlenbehandlung stets in dieselbe Position gebracht werden kann. Die Behandlung erstreckt sich im allgemeinen über drei bis sechs Wochen und wird in drei bis fünf Sitzungen pro Woche aufgeteilt. Die gesamte Dosis der Einzelbestrahlungen ist entscheidend dafür, wie viele Tumorzellen zerstört werden. Aber durch die Aufteilung in „Einzelportionen“ erreicht man, dass gesundes Gewebe sich besser erholt. So kann die Gesamtdosis relativ hoch angesetzt werden. In den meisten Fällen erfolgt die Strahlenbehandlung ambulant. Der Patient liegt oder sitzt jeweils einige Minuten in einem mit Blei und Beton abgeschirmten Raum. Das Personal muss strenge Sicherheitsvorkehrungen beachten. Während der Behandlung darf der Röntgenraum nicht betreten werden. Der behandelnde Arzt beobachtet den Patienten aufmerksam durch ein Bleiglasfenster und kann bei Bedarf auch mit ihm sprechen.

Die häufigste Nebenwirkung einer Strahlentherapie sind Rötung und Wundwerden der Haut über der behandelten Stelle. Der betreffende Bereich sollte nicht gewaschen und rasiert werden, um zusätzliche Hautreizungen zu vermeiden. Der Patient erhält meistens pflegende und fetthaltige Hautsalben. Nach Beendigung der Behandlung klingen die Hautreaktionen ab. Eine Strahlenbehandlung des Schädelbereichs kann Haarausfall verursachen. Meistens wachsen die Haare nach Behandlungsende wieder nach.

Appetitmangel und Durchfall

Eine Strahlenbelastung von Mund, Speiseröhre, Magen oder Darm führt eventuell zu Appetitmangel, Mundtrockenheit, Erbrechen oder Durchfall. Diese Erscheinungen vergehen jedoch in der Regel einige Zeit nach der Strahlentherapie. Viele dieser Nebenwirkungen können durch Medikamente gelindert werden. Im Verlaufe einer Strahlentherapie werden außerdem zur Kontrolle Blutuntersuchungen durchgeführt. Die Angst vor Krebserkrankungen ist groß. Für die Betroffenen bringt die Diagnose „Krebs“ oft bange Fragen mit sich. In der westlichen Welt werden jedoch zwanzig bis dreißig Prozent aller an Krebs erkrankten Menschen völlig geheilt, und in vielen Bereichen der Krebsbehandlung hat die Medizin große Fortschritte gemacht. Vollständige Heilung heißt: Alle bösartigen Zellen des Krebses werden vernichtet. Dies betrifft den ursprünglichen Tumor ebenso wie Wucherungen in das umliegende Gewebe und jede Verbreitung (Metastasierung) in andere Organe. Es ist jedoch nicht immer absolut sicher, dass der Patient völlig geheilt ist. Bei schnell wachsenden Tumoren sprechen die Ärzte im allgemeinen von einer vollständigen Heilung, wenn der Patient fünf Jahre nach Diagnose noch am Leben ist. Manche Krebsgeschwülste wachsen jedoch sehr langsam. In diesen Fällen kann es oft zehn Jahre oder länger dauern, bis entdeckt wird, dass der Krebs die Therapie „überstanden“ und sich weiter ausgebreitet hat. Die Patienten müssen sich deshalb auch nach der Behandlung regelmäßigen Kontrolluntersuchungen unterziehen.

Was kann nun mit der Strahlentherapie bei Krebspatienten erreicht werden? Für eine aussichtsreiche Behandlung ist die Strahlensensibilität des Tumors entscheidend. Vor allem bei bestimmten Tumoren der Lymphknoten kann man eine vollständige Beseitigung der Tumore in dem behandelten Gebiet erwarten. Oft wird durch die Strahlentherapie eine Heilung erzielt. Hautkrebs spricht auf diese Behandlungsform nicht ganz so gut an, lässt sich aber normalerweise durch Operation und eventuell begleitende Strahlenbehandlung ganz zum Verschwinden bringen. Lässt sich eine dauerhafte Heilung nicht erreichen, spielt die Strahlentherapie eine sehr wichtige Rolle in der Unterdrückung des Krebses. Die Strahlenbehandlung kann oft Besserung bewirken und das Leben des Patienten um viele Monate oder Jahre verlängern. Mit gezielt eingesetzter Bestrahlung gelingt es häufig auch, Schmerzen zu beheben oder zumindest zu lindern. Auf diese Weise kann auch schwerkranken Krebspatienten noch geholfen werden.