Strahlenkrankheit

Die Strahlenkrankheit wird durch hohe Dosen energiereicher Strahlung hervorgerufen. Sie kann insbesondere bei krebskranken Patienten auch als Nebenwirkung einer Strahlentherapie auftreten. Die Strahlenkrankheit tritt heute vor allem bei der Krebsbehandlung als zwar unangenehme, aber beherrsch- und behandelbare Nebenwirkung einer Strahlentherapie auf.

Beherrschbar ist sie deshalb, weil das Ausmaß der Schädigung von Zellen und Geweben von der verabreichten Strahlendosis abhängt. Wenn für eine Strahlentherapie hohe Strahlendosen erforderlich sind, beispielsweise zur Behandlung eines tief liegenden Knochentumors, wird die Gesamtdosis in viele kleine Einzeldosen aufgeteilt, um die unangenehmen Symptome möglichst gering zu halten. Bei einer Atomkatastrophe, einem schweren Unglück in einem Atomkraftwerk oder gar einem Atomkrieg würden zahllose Menschen radioaktiv verstrahlt und die meisten von ihnen elend sterben.

Strahlendosis

Die Auswirkungen der Strahlung auf den Körper hängen von der aufgenommenen Strahlendosis ab. Eine relativ hohe Strahlendosis ruft innerhalb von ein bis zwei Stunden Übelkeit und Erbrechen hervor. Bei höheren Dosen setzen die Symptome früher ein. Das Erbrechen kann nach vier bis sechs Stunden nachlassen, aber dafür können dann andere Symptome auftreten.

Auswirkungen

Wenn es im Verlauf einer Strahlentherapie zur Strahlenkrankheit kommt, sind die ersten Symptome Müdigkeit, Schwäche, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Man nimmt an, dass diese Symptome teilweise darauf beruhen, dass toxische (als Gift wirkende) Stoffe aus strahlengeschädigtem Gewebe in die Blutbahn gelangen, zum Beispiel Histamin. Andere schwerwiegende Auswirkungen der Strahlentherapie hängen von der Empfindlichkeit verschiedener Körperorgane ab. Die empfindlichsten Zellverbände sind diejenigen, die sich laufend erneuern, also beispielsweise die Haut, die Knochenmarkszellen, in denen neue Blutkörperchen gebildet werden, und die Schleimhäute, mit denen Magen und Darm ausgekleidet sind.

Schnell wachsende Zellen werden leicht durch die Einwirkung von Strahlen zerstört, und die Strahlentherapie macht sich gerade dies auch zunutze, um die entarteten Zellen von Tumoren zu vernichten. Nach einer stärkeren Strahlendosis rötet sich die Haut und wird wund. Die Haarwurzeln werden geschädigt, und die Haare fallen nach und nach aus, wachsen jedoch innerhalb von zwei bis drei Monaten wieder nach. Auch die Schweißdrüsen werden in Mitleidenschaft gezogen, so dass die Haut stark austrocknet. Höhere Dosen führen zu stärkerer Hautrötung, die in Schuppenbildung übergeht. Wenn dieses Stadium erreicht ist, dauert die Heilung etwa drei Wochen. Bei hochgradiger Strahlenbelastung bilden sich Blasen auf der Haut.

Im Knochenmark werden zuerst die Zellen geschädigt, die die weißen Blutkörperchen bilden. Während der Behandlung sind deshalb häufige Blutuntersuchungen erforderlich, damit die Zahl der weißen Blutkörperchen und der für die Blutgerinnung zuständigen Blutplättchen nicht zu stark absinkt. Geschwürbildung, Durchfall und Blutungen sind die Folge einer Strahlenbelastung von Magen und Darm. Patienten, die eine Strahlentherapie erhalten, können auch an Mundtrockenheit und Halsschmerzen leiden, die vor allem das Schlucken beschwerlich machen. Diese Nebenwirkungen sind zweifellos unangenehm und unerwünscht, aber im allgemeinen kann man die meisten davon behandeln oder zumindest auf ein vertretbares Maß verringern. Auf jeden Fall sind sie vorübergehend und müssen angesichts der gefährlichen Grundkrankheit und der erhofften Wirksamkeit der Behandlung als zumutbar angesehen werden.

Ganzkörperbestrahlung

Zu einer Bestrahlung des ganzen Körpers kann es bei Störfällen in Kernkraftwerken oder bei einer Atomexplosion kommen. Die Folgen einer schweren Strahlenbelastung hängen von der aufgenommenen Dosis ab, aber Übelkeit und Erbrechen sind auch hier die ersten und auffälligsten Symptome. Wenn die Übelkeit nach ein oder zwei Tagen nachlässt, zeigen sich weitere Symptome von Seiten des Verdauungstraktes. Die Darmschleimhaut erneuert sich normalerweise rasch und ist deshalb als eine der ersten Gewebearten von den schädlichen Folgen einer Strahlung betroffen. Die Aufnahme (Absorption) von Nahrung aus dem Darm wird beeinträchtigt. Es kommt zu Wasserverlust und Durchfall, so dass der Patient rasch an Körpergewicht verliert; Übelkeit und Erbrechen kommen hinzu.

Auch die Knochenmarkszellen werden bei einer Ganzkörperbestrahlung sofort in Mitleidenschaft gezogen. Bei niedriger Dosis kommt es lediglich zu einer Verringerung der Anzahl der neu gebildeten weißen Blutkörperchen. Bei höheren Strahlendosen stellt das Knochenmark dagegen seine Funktion ganz ein. Mit der daraus resultierenden Abnahme der weißen Blutkörperchen verringert sich auch die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen Infektionen. Der Betroffene kann dann an ganz banalen Infektionskrankheiten sterben. Wenn das Strahlenopfer die ersten zwei bis drei Wochen überlebt, tritt außerdem Blutarmut (Anämie) auf. Zu der Anämie können noch innere Blutungen und die Neigung zu Blutergüssen hinzutreten, weil die Blutplättchen, von denen die Gerinnungsfähigkeit des Blutes abhängt, ebenfalls durch die Strahlung beschädigt werden.

Schwere Ganzkörperbestrahlung führt nicht nur in kürzester Zeit zu Übelkeit und Erbrechen, sondern auch zu Verwirrung und Desorientierung. Diese Symptome sind die Folge einer Störung der Gehirntätigkeit. Koma und rascher Tod treten danach als direkte Folge einer Hirnschädigung bei massiver Strahlenbelastung ein. Wenn jemand eine Ganzkörperbestrahlung überlebt, können sich noch nach Jahren Spätfolgen zeigen.

Verschiedene Krebsformen entstehen infolge einer Strahlenbelastung viel häufiger, vor allem Leukämie sowie Haut- und Schilddrüsenkrebs. Schon eine relativ geringfügige Strahlenbelastung kann das Risiko in späteren Jahren erhöhen, an einer solchen Krebsart zu erkranken. Man nimmt heute an, dass die natürliche Belastung durch kosmische Strahlung und natürliche radioaktive Stoffe und Gase, beispielsweise Radon, Ursache mancher Krebserkrankungen ist. Die Strahlenkrankheit im Gefolge einer Atombombenexplosion würde unabsehbare Folgen haben. Die Explosion einer 1-Megatonnen-Bombe (entspricht 1 Million Tonnen TNT = Trinitrotoluol, Maßstab für die Sprengkraft) – nach heutigen Maßstäben eine relativ kleine Bombe – würde auf der Stelle in einem Umkreis von 15 Kilometern alles vernichten – durch den Explosionsdruck, die Hitze und die entstehende Strahlung. Und noch in einem viel größeren Umkreis würden Menschen Opfer der Strahlenkrankheit werden.

Die Strahlungsschäden nach einer Atombombenexplosion – wie beispielsweise nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 – sind jedoch zum größten Teil nicht unmittelbar auf die Explosion, sondern auf den radioaktiven Niederschlag zurückzuführen. Dieser besteht aus Tausenden von Tonnen Staub und Schutt, die während der Explosion Radioaktivität aufnehmen und in einer pilzförmigen Wolke hochgerissen werden und dann vom Wind über große Entfernungen transportiert werden, bevor sie auf die Erde niedergehen. Die ersten Auswirkungen sind auch in diesem Fall Übelkeit und Erbrechen, gefolgt von schwerem Durchfall.

Im Knochenmark wird die Blutplättchenbildung gestört, was zu inneren Blutungen führt. Auch die weißen Blutkörperchen werden geschädigt, so dass der Körper nicht mehr gegen Infektionen geschützt ist. Der Tod tritt dann Tage oder Wochen nach der ersten Strahlenbelastung ein. Die Genesung nach kleineren Dosen geht langsam voran. Die Schädigung der Fortpflanzungsorgane kann zu Unfruchtbarkeit führen.

Behandlung

Patienten, die eine Strahlentherapie erhalten, werden unter ärztlicher Aufsicht genau festgesetzten Strahlungsmengen ausgesetzt. Man kann die Dosen so wählen, dass die Strahlenkrankheit vermieden oder auf ein Minimum beschränkt wird. Wenn doch Symptome auftreten, können sie mit Medikamenten gelindert werden. Wenn die Beschwerden aber unerträglich werden, kann der Arzt die nächste Behandlung hinausschieben oder die gesamte Therapie so umstellen, dass weniger Nebenwirkungen auftreten. Nach einer Atomexplosion würden zahllose Menschen an den Nachwirkungen einer Ganzkörperbestrahlung leiden; die ärztliche Versorgung der Bevölkerung würde mit Sicherheit zusammenbrechen.

Nur Bewohner der Randgebiete hätten überhaupt Aussicht auf eine Behandlung. Viele Menschen würden trotz medizinischer Behandlung sterben. Bei einer Atomkatastrophe oder einem Unfall auf einem atomgetriebenen Schiff oder U-Boot würde man jedoch versuchen, Strahlengeschädigte zu behandeln. Die Ärzte müssten vorrangig die Beschwerden durch Medikamente lindern und das Ausmaß der weiteren Schädigung abschätzen. Anhand von Blutuntersuchungen wird man die Schädigung der weißen Blutkörperchen durch die Strahlung ermitteln. Mit komplizierteren Untersuchungen der Chromosomen im Blut kann man ebenfalls die Stärke der Strahlenschäden feststellen. Die Patienten müssten auf sterilen Intensivstationen versorgt werden, weil sie keine Abwehrkräfte mehr hätten. Sie erhielten sterile Nahrungsmittel und regelmäßig Antibiotika, um die Ausbreitung von Keimen aus dem Darm in andere Organe zu verhindern.

Bei Patienten mit einer Anämie würde man eine Knochenmarktransplantation erwägen. Man wird Knochenmark von einer gesunden Person in die Blutbahn des Patienten einbringen. Die Spenderzellen würden sich dann unter günstigen Voraussetzungen im Knochenmark ansiedeln und mit der Bildung roter und weißer Blutkörperchen beginnen. Weniger stark geschädigte Menschen bekämen Jod. Damit hofft man zu verhindern, dass sich radioaktives Jod von dem Atomunglück in der Schilddrüse ansammelt, was in späteren Jahren zu Schilddrüsenkrebs führen kann. Außerdem bekämen bei einem Atomunfall weniger schwer geschädigte Personen bei Anämie Bluttransfusionen, bis das Knochenmark sich so weit erholt hat, dass es wieder genügend rote Blutkörperchen bildet.

Nach einem Unfall mit radioaktivem Staub oder radioaktiven Feststoffen kommt es vor allem darauf an, das radioaktive Material möglichst vollständig zu beseitigen. Die Haut des Opfers muss sehr gründlich gereinigt (dekontaminiert) werden. Wenn radioaktiver Staub in die Lunge eingedrungen ist, können Ärzte sogar mit Hilfe eines Bronchoskops (Instrument zur Spiegelung der Bronchien) die Luftröhre und die Bronchien auswaschen. Dieses Verfahren wird nur unter Narkose angewandt.

Zukünftige Entwicklung

Die führenden Politiker der Welt sind dafür verantwortlich, einen Atomkrieg zu verhindern. Die Explosion einer einzigen Atombombe würde grauenhafte Folgen haben. Wissenschaftler und Politiker müssen auch immer wieder dafür sorgen, dass die Sicherheitsvorkehrungen in Kernkraftwerken überprüft werden.