Siamesische Zwillinge

Immer wieder einmal berichtet die Presse von der Geburt siamesischer Zwillinge und deren Leben. In einigen Fällen können die Chirurgen die über Gewebsbrücken miteinander verwachsenen Kinder erfolgreich trennen.

Als siamesische Zwillinge bezeichnet man zwei eineiige Zwillingsindividuen, deren Körper verbunden sind. Der Begriff entstand, als die beiden miteinander verwachsenen Brüder Chang und Eng berühmt wurden. Sie waren im Jahre 1811 als Kinder chinesischer Eltern in Siam (Thailand) geboren worden und über eine Gewebsbrücke im Bauchbereich verbunden.

Sie wuchsen zu normaler Körpergröße heran und konnten gehen, laufen und schwimmen. Als Jugendliche wurden sie von einem englischen Kaufmann nach Amerika gebracht, wo sie auf Jahrmärkten als Kuriosität ausgestellt wurden. Später brachte man sie auch nach Europa. Sie wurden amerikanische Staatsbürger, heirateten ein englisches Geschwisterpaar und hatten zahlreiche Kinder. Sie ließen sich in Amerika als Farmer nieder und starben 1874.

Chang und Eng waren keineswegs das erste Paar von miteinander verwachsenen Zwillingen. Der älteste Bericht über solche Kinder nennt die Biddendon-Mädchen, die im Mittelalter in England geboren wurden. Sie waren von den Schultern bis zu den Hüften vereint und hatten zusammen nur zwei Arme und Beine. Ein weiteres bekannt gewordenes Paar, die Florentiner Zwillinge, erlangte im vierzehnten Jahrhundert in Italien Berühmtheit. Sie sind in einem Relief der Kirche La Scala dargestellt und Thema eines Gedichts. Zusammen hatten sie drei Arme und drei Beine.

Siamesische Zwillinge können an unterschiedlichen Körperstellen miteinander verwachsen sein: an Kopf, Brustbein, Brustkorb, Nabel, Becken oder auch am Rücken. Einige sind nur oberflächlich über Haut oder Knochenanteile verbunden. Andere teilen lebenswichtige Organe wie Herz oder Leber miteinander. Die meisten dieser Kinder sind nicht lebensfähig und sterben während des Geburtsvorgangs oder kurz danach. Man schätzt, dass unter 250.000 Geburten ein siamesisches Zwillingspaar ist.

Die Fehlbildung

Nachdem die Eizelle befruchtet ist, bildet sie die Keimzelle (Zygote). Aus ihr entwickelt sich die Blastozyste, deren äußere Zellschicht der Ernährung der Frucht dient und deren innere Zellansammlungen, die Embryoblasten, die Vorstufen zum Embryo sind. Bei eineiigen Zwillingen nun teilt sich die Blastozyste vollständig, und es entwickeln sich zwei Kinder mit identischen Erbanlagen. Zweieiige Zwillinge dagegen gehen aus zwei getrennt befruchteten Eizellen hervor. Sie wachsen also schon im Mutterleib voneinander unabhängig heran und sind medizinisch als „normale“ Geschwister zu betrachten.

Man vermutet, dass sich bei den siamesischen Zwillingen Zygote und Blastozyste zunächst normal entwickeln, die Teilung aber erst in einem späteren Stadium stattfindet als bei den anderen eineiigen Zwillingen. Die Durchschnürung der Embryoblasten läuft dann nicht vollständig ab, und das Ergebnis sind miteinander verwachsene Zwillinge. Es würde nicht verwundern, wenn die Geburt siamesischer Zwillinge mit Schwierigkeiten verbunden wäre.

Um so überraschender ist es, dass viele von ihnen ohne Komplikationen zur Welt kommen. Zum Beispiel wurden in den vierziger Jahren Zwillinge in Nigeria geboren, die vom unteren Brustbein bis zum Nabel miteinander verwachsen waren. Die Entbindung verlief völlig normal.

Chirurgische Trennung

Viele siamesische Zwillinge konnten durch eine Operation getrennt werden. Die Trennung sollte versucht werden, wenn jedes der beiden Kinder in seinem Körper die lebensnotwendigen Organe aufweist. Die besten Aussichten haben dabei die Zwillinge, die nur durch Haut und eventuell Knochenanteile miteinander verbunden sind. Einige siamesische Zwillingspaare teilen sich jedoch lebenswichtige Organe, die dann zwei Körper versorgen und darüber hinaus in vielen Fällen fehlgebildet sind. Eine Operation ist dann unmöglich. Wenn beispielsweise eine ausgedehnte Verbindung im Bauchbereich besteht, sind eventuell die Mägen, Därme oder Lebern verschmolzen. Bei Gewebsbrücken im Bereich des unteren Rückens ist unter Umständen das Rückenmark nicht vollständig getrennt.