Dieses Leiden, auch als Reiter-Krankheit bezeichnet, kann eine Entzündung der Harnröhre, der Gelenke und der Augen mit sich bringen, aber auch einen Hautausschlag. Es betrifft ganz überwiegend Männer.
Obwohl der als Reiter-Syndrom bezeichnete Symptomenkomplex bereits im 18. Jahrhundert beschrieben wurde, klassifizierte erst im Jahre 1916 der deutsche Arzt Hans Reiter diese Krankheit als eine klar definierbare Einheit. Nach heutigem Erkenntnisstand kann man das Reiter- Syndrom in die Familie der rheumatischen Erkrankungen einordnen und als ein infektallergisches Geschehen verstehen, also eine Reaktion des Körpers auf einen vorangegangenen Infekt. Sicher ist, dass in der Regel nur Menschen mit einer entsprechenden ererbten Veranlagung (Disposition) erkranken.
Das Erkrankungsrisiko
Die Symptome des Reiter-Syndroms treten immer nach einer vorangegangenen Infektion auf. Diese Infektion ist meist eine durch Geschlechtsverkehr übertragene Krankheit wie z.B. m Beispiel eine unspezifische Urethritis (Harnröhrenentzündung) oder eine Gonorrhö. Eine Harnröhrenentzündung kann durch drei verschiedene Mikroorganismen hervorgerufen werden: Chlamydien, Mycoplasmen oder Ureaplasmen. Nicht selten jedoch tritt das Reiter-Syndrom auch nach einer durchgemachten Dysenterie, einer infektiösen Darmerkrankung, auf, bei der Erreger wie Enteritis-Salmonellen, Shigella, aber auch Yersinia, schwere Durchfälle verursachen. Nur relativ wenige der Menschen, die eine unspezifische Urethritis oder eine infektiöse Darmerkrankung durchgemacht haben, erkranken auch am Reiter-Syndrom.
Nach einer infektiösen Darmerkrankung liegt das Risiko bei 1:400, nach einer unspezifischen Urethritis dagegen bei 1:50. Männer sind viel häufiger betroffen als Frauen. Junge Männer zwischen 16 und 34 Jahre scheinen im allgemeinen am anfälligsten zu sein, doch ist das Auftreten des Reiter-Syndroms grundsätzlich an kein Lebensalter gebunden. Sogar Kinder können betroffen sein. Heute weiß man, dass in der Regel eine ererbte Veranlagung besteht, wenn bei einem Patienten das Reiter-Syndrom auftritt. Seit einiger Zeit wird diese Veranlagung mit bestimmten Gewebstypen in Verbindung gebracht. So entwickeln Patienten, die den Gewebstyp HLA-B 27 aufweisen, nach Kontakt mit den oben genannten Erregern um ein Vielfaches häufiger Symptome der Reiter-Krankheit als andere Menschen.
Symptome
Das erste Symptom beim Mann ist gewöhnlich ein leichter Ausfluss aus der Harnröhre. Die Krankheitserscheinungen werden Urethritis genannt. Nach einer durch Geschlechtsverkehr übertragenen Infektion treten sie fast immer auf, seltener dagegen, wenn das Reiter-Syndrom einer Darminfektion folgt. Nach ein paar Tagen können sich diese Krankheitserscheinungen verschlimmern, und dann kommt es zum zweiten Hauptsymptom, der Gelenkentzündung (Arthritis). Oft ist der Ausbruch der Arthritis sehr unvermittelt, heftig und belastend. Eines oder mehrere Gelenke können heiß werden, anschwellen und extrem schmerzen. Die Knie- und Knöchelgelenke können betroffen sein – aber meist nur eines zur Zeit -, seltener die Handgelenke oder Ellbogen.
Das dritte Hauptsymptom ist die Entzündung des sichtbaren Teiles des Auges, die Bindehautentzündung (Konjunktivitis). Das Weiße der Augen wird rot und schmerzt. Manchmal kommt es auch zu einer ernsteren Entzündung, einer Uveitis, bei der tiefer liegende Gewebe im vorderen Teil des Auges betroffen sind. Das kann zur Vernarbung der Regenbogen- oder Hornhaut führen, wenn die Uveitis nicht behandelt wird. Abgesehen von den drei Hauptsymptomen Urethritis, Arthritis und Konjunktivitis kann auch eine Reihe von anderen Symptomen auftreten.
Etwa 25 bis 30 Prozent der Patienten erkranken zusätzlich an einem Hautausschlag, der einer Schuppenflechte (Psoriasis) ähnelt. Die Haut erscheint verdickt und rissig, und zwar zumeist an den Fußsohlen, aber auch im Bereich der Glieder und am Rumpf. Es kann auch zu einem schmerzlosen Ausschlag an den Geschlechtsteilen, besonders an der Eichel, kommen. In gut 50 Prozent der Fälle sind die Sehnen und Bänder der Füße beteiligt. Die Achillessehne am hinteren Teil des Fußes kann sich entzünden, was eine schmerzhafte Einschränkung der Beweglichkeit zur Folge haben kann.
Krankheitsschübe
Das erste Auftreten des Reiter-Syndroms kann mehrere Wochen oder sogar Monate dauern; dann bilden sich die Symptome weitgehend zurück. Im Laufe der Zeit kommt es jedoch in unregelmäßigen Abständen zu weiteren neuen Schüben. Jeder Schub kann mit einer Urethritis beginnen – genau wie der erste -, aber in vielen Fällen sind die chronische Arthritis oder die Konjunktivitis das einzige Anzeichen für einen Rückfall. Etwa einer von zehn Patienten mit dem chronischen Reiter-Syndrom bekommt schmerzhafte Entzündungen im Bereich der Kreuzbein-Darmbein-Gelenke am unteren Ende der Wirbelsäule, die im Laufe der Zeit zu einer Wirbelsäulenversteifung führen können.
Diagnose und Behandlung
Anfangs kann die Diagnose eines Reiter-Syndroms schwierig sein. Die Symptome sind unterschiedlich ausgeprägt, und gelegentlich weist ein Patient nur zwei von den drei klassischen Symptomen auf. Ein zusätzliches Problem ist, dass es keinen speziellen Blutbefund für die Krankheit gibt; Blutproben zeigen lediglich unspezifische Veränderungen, beispielsweise einen Anstieg des Anteils weißer Blutkörperchen im Blut. Der einzige konkrete Hinweis kann die Bestimmung des Gewebstyps HLA-B 27 sein.
Ist die Diagnose einmal gestellt, wird der Patient mit Tetracyclin oder ähnlichen Antibiotika behandelt. Weil bekannt ist, dass die Krankheit eine Reaktion auf eine Infektion ist, ist es sinnvoll, jede möglicherweise vorhandene verborgene Infektion zu bekämpfen. Darüber hinaus hängt die Behandlung von dem Ausmaß und der Art der Begleitsymptome ab. Wenn eine Arthritis vorliegt, können entzündungshemmende Medikamente verschrieben werden.
Bei einer Konjunktivitis oder Uveitis können schmerzstillende Augentropfen oder Kortisonpräparate verabreicht werden. Obwohl nur wenige Patienten ernsthaft erkranken, kann das Reiter-Syndrom die Lebensqualität stark beeinträchtigen; so können zum Beispiel wiederholte Schübe von Arthritis die Beweglichkeit und das Wohlbefinden deutlich mindern.