Reisekrankheit

Manche Menschen halten mühelos die stürmischste Seefahrt aus, andere fühlen sich schon krank, bevor das Schiff den Hafen verlässt. Die Symptome der Reisekrankheit lassen sich lindern, wenn man entsprechende Vorkehrungen trifft.

Das Schlingern und Schaukeln eines Schiffes, die ständige Richtungsänderung eines Autos auf einer kurvenreichen Strecke, die rhythmischen Bewegungen eines Zuges, Luftlöcher beim Fliegen – dies alles kann zur Reisekrankheit führen, gelegentlich auch Bewegungskrankheit genannt.

Manchen Menschen wird schon beim bloßen Gedanken an eine Schiffsreise übel. Die Angst ist eine häufige Ursache dieser unangenehmen Krankheit. Reisekrankheit entsteht durch widersprüchliche Informationen, die das Gehirn von verschiedenen Sinnesorganen bekommt. Das Gleichgewichtsorgan im Innenohr enthält drei mit Flüssigkeit gefüllte Gänge (Bogengänge) – das Labyrinth. Die Teile liegen wie drei Wasserwaagen im rechten Winkel zueinander: Die Kopfbewegung in eine beliebige Richtung setzt Flüssigkeit in einem oder mehreren Gängen in Bewegung – eine Flut von Nervenimpulsen wird über die Gleichgewichts- und Gehörnerven zum Gehirn geleitet.

Informationen

Zur selben Zeit erhält das Gehirn auch von mehreren anderen Quellen Informationen über Bewegung, besonders von den Augen. Wenn diese verschiedenen Informationsteile für die Schaltzentrale im Gehirn einen Sinn ergeben, ist alles in Ordnung. Wenn jedoch die Informationen, die von Innenohr oder Augen kommen, verwirrend oder widersprüchlich sind, werden entsprechende Signale an einen Teil des Gehirns – das Brechzentrum – gesendet, die Folge sind Übelkeit und Erbrechen.

Man kann sich den Effekt folgendermaßen klarmachen: Ein Radfahrer fährt eine Straße entlang, am Steuer des nachfolgenden Autos achtet der Fahrer auf die Straße, hinten im Auto sitzt jemand und liest ein Buch. Wenn der Radfahrer in eine Kurve fährt, senden sowohl seine Augen als auch sein Innenohr dieselben Informationen über die Bewegungsabläufe an das Gehirn, so dass alle Eindrücke stimmig sind. Dasselbe trifft auf den Fahrer des Autos zu. Der Mitfahrer auf dem Rücksitz jedoch nimmt die Bewegung nur über das Innenohr wahr; Autositz und Buch vor ihm verändern nämlich nicht ihre Lage und den Abstand zu seinen Augen. Für das Gehirn ergeben relative und absolute Bewegung keinen Sinn, und so kann dem Mitfahrer wenn er empfindlich ist, früher oder später übel werden.

Dasselbe trifft auf jemanden zu, der während einer stürmischen Überfahrt etwa im geschlossenen Salon eines Schiffes sitzt. Je stärker die Bewegungen sind, desto leichter wird das Gehirn verwirrt und das Brechzentrum aktiviert.

Bedingter Reflex

Menschen, die schon häufiger reisekrank waren, stellen leicht eine Verbindung zwischen Reisen und Unwohlsein her: sie fühlen sich schon vor Beginn der Reise krank. Psychologen nennen diese Art von Reaktion einen bedingten Reflex. Die Symptome der Reisekrankheit sind bei jedem Menschen verschieden, doch erlebt der Betroffene immer die gleichen Symptome und immer in der gleichen Reihenfolge. Schwindelgefühl, Übelkeit und Erbrechen sind die offensichtlichsten Wirkungen, andere sind Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, erhöhte Atemfrequenz, Gähnen und blasse Hautfarbe. Glücklicherweise gibt es eine große Auswahl an Medikamenten gegen Reisekrankheit, und jedes Mittel enthält einen speziellen Wirkstoff.

Einige Präparate wirken nur für kurze Zeit – im allgemeinen drei bis vier Stunden – und eignen sich besser für kurze Reisen, andere wirken länger und bieten sich daher für ausgedehntere Unternehmungen an. Die meisten Medikamente können rezeptfrei in der Apotheke gekauft werden. Wer allerdings schon wiederholt Probleme mit der Reisekrankheit hatte, sollte einen Arzt konsultieren.

Wirkung von Medikamenten

Die Medikamente wirken größtenteils auf das Zentralnervensystem, dämpfen die zentrale Wahrnehmung und beeinflussen das vegetative Nervensystem. Allein die Einnahme eines Medikamentes kann schon eine psychologisch positive Wirkung haben, man glaubt an den gewünschten Effekt. Die meisten Pillen gegen Reisekrankheit erzeugen als Nebenwirkung eine gewisse Schläfrigkeit und sind deshalb nicht für Autofahrer geeignet. Man sollte die Wirkung der Medikamente immer einige Tage vor der Reise zu Hause ausprobieren; wer sich danach auffällig müde fühlt, sollte seinen Arzt aufsuchen und bitten, ein anderes Medikament zu verschreiben.

Kinder scheinen sehr viel anfälliger für die Reisekrankheit zu sein. Bis sie das zehnte Lebensjahr vollendet haben, sind sie allerdings zumeist an das Reisen gewöhnt und wissen, dass sie im fahrenden Auto besser nicht lesen sollten.

Dosierung

Man darf nicht vergessen, dass bei Kindern eine weitaus geringere Dosis ausreicht als bei Erwachsenen; wenn die Medikamente nicht wirken, sollte man auf keinen Fall die Dosis erhöhen. Bitte deinen Arzt, ein alternatives Medikament zu empfehlen, das besonders für Kinder geeignet ist. Dosis und Wirkungsdauer sind von Medikament zu Medikament verschieden. Man sollte sich exakt nach den beiliegenden Anweisungen richten und aufpassen, dass die angegebene Höchstmenge nicht überschritten wird.

Alkohol wirkt in Verbindung mit diesen Medikamenten stärker als sonst – es kann zu einer gefährlichen Dämpfung wichtiger Bereiche des Gehirns kommen. Eine Tablette zu nehmen, wenn man sich schon krank fühlt, ist im allgemeinen von geringem Nutzen. Das Medikament wird möglicherweise ausgeschieden, bevor seine Wirkung einsetzen kann – etwa wenn man sich übergibt. Am besten versucht man eine andere Darreichungsform – ein Präparat zum Lutschen etwa, bei dem das Medikament über die Schleimhäute an der Unterseite der Zunge in den Blutkreislauf aufgenommen wird. Zäpfchen sind eine weitere sichere Alternative.

Ein anderes einfaches Mittel, das sich ebenfalls als wirkungsvoll erwiesen hat: Nimm ungefähr eine Stunde vor der Reise Ingwer zu dir. Ein kleiner Teelöffel Ingwerpulver in Wasser müsste reichen; alternativ kannst du auch mehrere Stücke kandierte Ingwerwurzel essen. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass Nebenwirkungen völlig ausbleiben; allerdings ist die Einnahme von Ingwer nicht so zuverlässig wie eine Vorbeugung mit Medikamenten.

Kleine Hilfsmittel

Die Symptome der Reisekrankheit lassen sich mit sehr unterschiedlichen Methoden reduzieren. Auf einem Schiff ist es das beste, sich an Deck aufzuhalten und die Augen den Horizont entlangwandern zu lassen. So erhält das Gehirn ständig Informationen über die Bewegungen des Schiffes – die mit jenen übereinstimmen, die vom Gleichgewichtsorgan des Ohres kommen. Sich über die Reling zu lehnen und direkt auf das Wasser zu schauen, ist nicht zu empfehlen; das ständige Auf und Ab der Wellen würde die Reize, die auf das Gleichgewichtsorgan wirken, noch verstärken.

Für Beifahrer im Auto ist es das beste, die Aufmerksamkeit auf weit entfernte Objekte zu richten. Kinder auf dem Rücksitz sollten hoch sitzen, damit sie eine gute Sicht haben. Außerdem sollten ein oder zwei Fenster ein wenig geöffnet sein, damit frische Luft zirkulieren kann – besonders, wenn einer der Autoinsassen raucht. Eine bewusste Kontrolle über Bewegungen auszuüben, wie etwa beim Lenken eines Autos oder eines Bootes, ist eine andere Methode, die gefürchteten Symptome zu lindern oder vielleicht sogar gänzlich zu vermeiden. Auch geistige Beschäftigung bietet sich an: Spiele, in denen es etwa darum geht, möglichst viele verschiedene Autotypen zu erkennen, sind auflangen Auto- oder Busfahrten mit Kindern eine wirkungsvolle Ablenkung.

Richtige Ernährung

Das Reisen mit leerem oder übervollem Magen sollte man möglichst vermeiden. Ein gelegentlicher Imbiss ist gut, schweres oder fettes Essen fördert indes die Symptome der Reisekrankheit. Alkohol sollte man ebenfalls meiden, besonders wenn man eine „Reisetablette“ genommen hat. Starkes Trinken alkoholischer Getränke in der Nacht vor der Reise – um „die Nerven zu beruhigen“ – ist gleichfalls nicht empfehlenswert. Ein Kater erhöht die Wahrscheinlichkeit, reisekrank zu werden.

Stress vermeiden

Vorbeugend kann eine Menge gegen die Reisekrankheit unternommen werden, nicht zuletzt auch dadurch, dass man sich gut und rechtzeitig vorbereitet und nicht erst in der letzten Minute hastig packt – das erzeugt lediglich unnötigen Stress. Wer die Aussicht auf einen Flug beängstigend findet, sollte einen Arzt konsultieren; er verschreibt gern ein beruhigendes Medikament, das vor Beginn des Fluges eingenommen wird.