Psychopharmaka

Psychopharmaka sind Medikamente, die in der Therapie psychischer Krankheiten eingesetzt werden. Es sollte jedoch immer erwogen werden, ob die Störung sich nicht durch psychosoziale Methoden behandeln lässt. Jede chemische Verbindung, die in die zentralnervösen Funktionen eingreift und unsere psychischen Abläufe beeinflusst, kann im Grunde als Psychopharmakon bezeichnet werden. Doch birgt diese Definition eine unkritische Handhabung der Psychopharmaka in sich.

Deshalb werden nur Arzneimittel in die Gruppe der Psychopharmaka aufgenommen, die ein eindeutiges Wirkungsprofil aufweisen, zum Beispiel die angst lösende Komponente der Antidepressiva. Zu den Psychopharmaka gehören in erster Linie Medikamente, die in der Therapie von Geistes- und Gemütskrankheiten eingesetzt werden. Die Gruppe der Neuroleptika wird in der Therapie der Geisteskrankheiten – vorwiegend bei Schizophrenie – eingesetzt. Bei den depressiven Erkrankungen erfolgt die Behandlung mit Antidepressiva. Eine manisch-depressive Erkrankung kann durch Lithium behandelt werden. Zu den Psychopharmaka gehören auch die Tranquilizer (Beruhigungsmittel), die leider allzu häufig verschrieben werden. Die Wirkungsweise der Psychopharmaka ist trotz aufwendiger Forschung noch in vielfacher Hinsicht ungeklärt. Die Psychopharmaka werden meistens in Tablettenform verabreicht. Bei sehr schweren Krankheitsbildern kann aber auch die Behandlung mit einer Infusion eingeleitet werden.

Neuroleptika

Der therapeutische Einsatz neuroleptischer Substanzen erfordert umfangreiche sachliche und fachliche Qualifikation vom behandelnden Arzt. Es muss genau abgeschätzt werden, wann die Risiken, die Neuroleptika in sich bergen, vertretbar sind. Da Neuroleptika bei Schizophrenen nur eine gewisse „Ruhigstellung“ bewirken, sollten sie höchstens sehr vorsichtig unterstützend für andere Behandlungsmethoden eingesetzt werden. Neuroleptika werden bei Therapiebeginn injiziert, später als Tabletten verabreicht und im weiteren Verlauf wieder injiziert. Durch Neuroleptika kann der Stärkegrad von Halluzinationen, Wahnsymptomen und der Übererregbarkeit gedämpft werden. Ebenfalls können Zwangsvorstellungen und das unerträgliche Stimmenhören durch diese Substanzen so positiv beeinflusst werden, dass der Patient nicht mehr unter diesen quälenden Symptomen leidet. Auch fördern sie die Schlafbereitschaft, so dass der Patient häufig nach qualvollen Wochen mit gravierender Schlaflosigkeit zum ersten Mal wieder Ruhe findet, weil er nicht mehr von Stimmen und Geräuschen „verfolgt“ und bedrängt wird. Die Neuroleptika beeinflussen unter Umständen die intellektuelle Leistungsfähigkeit, wobei das Bewusstsein weitgehend nicht beeinflusst wird. Die Nebenwirkungen der Neuroleptika sind sehr ausgeprägt. Wie viele andere Psychopharmaka haben diese Medikamente einen stufenförmigen Wirkungsverlauf. Das heißt, die volle Wirkung tritt erst nach zwei bis vier Wochen ein. Die Nebenwirkungen dagegen können sich oft schon nach einer Woche drastisch bemerkbar machen.

Blick- und Schlundkrämpfe

So treten häufig schon nach einer Woche die sogenannten extrapyramidalen Nebenwirkungen auf. Blick- und Schlundkrämpfe und seltsame Bewegungsmuster können auf diese Nebenwirkung hindeuten. Durch andere Substanzen lassen sich diese Symptome aber gut beherrschen. Später können sich unter der Neuroleptika -Medikation parkinson ähnliche Erscheinungen zeigen, wie starre Mimik, Bewegungsarmut, Zittern, kurzschrittiger Gang. Durch Antiparkinsonmittel und Änderung der Medikamenten- Dosierung oder Umstellung können heute diese Erscheinungen beherrscht werden. Als sehr quälend wird von sehr vielen Patienten die Akathisie beschrieben. Hierunter versteht man die als äußerst unangenehm erlebte Unruhe. Die Patienten können nicht mehr ruhig sitzen und müssen Ihre Beine dauernd bewegen. Eine Abschwächung dieser erst recht spät erscheinenden Nebenwirkung kann durch Dosisreduktion und Präparatwechsel erzielt werden. Weitere Nebenwirkungen sind oft Übelkeit, ein trockener Mund, Gewichtszunahme, Sehstörungen und Blutbildstörungen. Aus diesem Grund müssen regelmäßig Blutbildkontrollen erfolgen. Im Rahmen einer Neuroleptika-Therapie ist das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient sehr wichtig, da hierdurch dem Patienten geholfen wird, die Nebenwirkungen besser zu ertragen. Ebenfalls kann nur ein Arzt, der den Patienten schon lange betreut, besser beurteilen, ob eine Dosisreduktion, eine Medikamentenumstellung oder gar Absetzversuche möglich sind. Der Patient sollte niemals Medikamente von sich aus absetzen. In diesem Fall könnte die Krankheit in ihrer vollen Symptomatik und mit allen Konsequenzen wieder auftreten. Von großer Bedeutung für den Kranken ist die Unterstützung durch Familienangehörige.

Antidepressiva

Antidepressiva werden zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Die einzelnen Präparate haben unterschiedliche Wirkungsprofile. Sie reichen von einer zunächst mehr angstlösenden und beruhigenden, später stimmungsaufhellenden Komponente bis hin zu einer Antriebssteigerung. Auch hier treten die therapeutischen Wirkungen in vollem Ausmaß erst nach einer Zeit von zwei bis drei Wochen auf, während die Nebenwirkungen schon früher einsetzen. Zu den häufigsten unerwünschten Begleiterscheinungen gehören Müdigkeit, Mundtrockenheit, Sehstörungen, Verstopfung und Beschwerden beim Wasserlassen. Diese Nebenwirkungen schwächen sich aber im Laufe der Therapie ab, während die Balance der Psyche immer ausgeglichener wird. Auch bei den Antidepressiva sollte der Patient nicht eigenmächtig ohne seinen Arzt etwas an der Medikation ändern. Wegen der besonderen Gefahr von Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und vor allem mit Alkohol ist größte Vorsicht geboten. Bei schweren depressiven Erscheinungen ist meistens ein Klinikaufenthalt notwendig. Lithium-Therapie Lithium wird bei psychiatrischen Krankheitsbildern mit manisch-depressivem Erscheinungsbild angewendet, seltener bei reinen Manien. Die Wirkung von Lithium beginnt erst nach einer Woche. Die volle Wirkung wird erst nach Monaten erreicht. Auch Lithium besitzt vielfältige Nebenwirkungen wie Schwindel, Zittrigkeit, Gewichtszunahme. Bei zehn Prozent der Patienten entwickelt sich ein Kropf, der dann mit Schilddrüsenhormonen behandelt werden muss. Bei Überdosierungen sind die ersten Anzeichen Übelkeit, Erbrechen, Durst, Durchfall und Muskelschwäche. Da die Lithium-Therapie eine Gradwanderung zwischen richtiger Dosierung und Überdosierung ist, darf der Patient auch hier keine eigenständigen Dosierungsänderungen vornehmen. Regelmäßig müssen Blutbildkontrollen durchgeführt werden. Generell besteht bei Diäten mit kochsalzfreier und -armer Kost die Gefahr der Überdosierung. Auch im Rahmen der Lithium- Therapie kann durch eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Patient und Arzt die Therapie erleichtert werden. Nur der Arzt, der eine lange Lithium- Therapie durchgeführt hat, kann eine Änderung der Therapie erwägen.

Tranquilizer

Tranquilizer können Spannungs- und Angstzustände günstig beeinflussen. Zwar gilt die angstdämpfende Wirkung von Tranquilizern durch zahlreiche wissenschaftliche Studien als belegt. Doch ist es nicht ungefährlich, wenn man Tranquilizer über längere Zeit unkontrolliert einnimmt. Viele Berichte weisen vor allem daraufhin, dass die Gruppe der Benzodiazepine zu Abhängigkeit und Sucht führen kann. Das erste Mittel dieses Typs, Chlordiazepoxid, kam 1960 auf den Markt, drei Jahre später folgte Diazepam. Da in den 60er Jahren bereits Besorgnis über den zunehmenden Missbrauch von Barbihiraten (gewöhnlich als Schlafmittel verschrieben) herrschte, wurden die neuen Mittel als bedeutender Fortschritt in der Behandlung einer Vielzahl psychischer Störungen begrüßt. Es hieß, sie seien weitgehend frei von Nebenwirkungen und Suchterscheinungen. Benzodiazepine wurden als völlig unbedenkliche wirksame Mittel gegen Beschwerden wie Nervosität oder Unlustgefühle sowie gegen Angstzustände aller Art gepriesen. Angeblich halfen sie auch gegen Alltagssorgen und psychosomatische Beschwerden wie nervöse Kopfschmerzen. Schon bald galten Benzodiazepine als Allheilmittel gegen die Spannungen und Belastungen des modernen Lebens. Anfang der 70er Jahre waren sie bereits sehr verbreitet. Auch in vielen anderen Ländern bildeten die Tranquilizer die am häufigsten verschriebene Gruppe von Medikamenten. Benzodiazepine erwiesen sich nicht nur als wirksam gegen Angstzustände. Es kamen auch verschiedene Präparate auf den Markt, die als Schlafmittel propagiert und eingenommen wurden. In kleinen Dosierungen wirken Benzodiazepine beruhigend, helfen also gegen Angst und innere Anspannung. In stärkerer Dosierung lindern sie Muskelspannungen und machen schläfrig.

Richtige Dosierung

Manche Benzodiazepine wirken recht lange. Nach einer einzelnen Dosis können noch nach 24 Stunden Restwirkungen auftreten. Ein langfristig wirksames Benzodiazepin in kleiner Dosierung kann gegen Angstzustände helfen. Eine stärkere Dosis wirkt als Schlafmittel, wobei die Gefahr besteht, dass der Betreffende nach dem Aufwachen einen Kater hat. Andere Benzodiazepine wirken mittelfristig (8-10 Stunden), wieder andere nur kurzfristig (4-6 Stunden). Nebenwirkungen sind bei Tranquilizern weniger häufig, doch können vor allem bei älteren Menschen Verwirrung, unkoordinierte Bewegungen, Muskelerschlaffung und Kopfschmerzen auftreten. Zu bedenken ist auch, dass diese Mittel die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen. Für Autofahrer und Menschen, die Maschinen bedienen, ist das besonders gefährlich. Stets berücksichtigt werden muss die Gefahr eines eventuellen Medikamentenmissbrauchs. Die längere Einnahme von Tranquilizern kann auch zu einer Gewöhnung des Körpers führen. Es tritt ein Wirkungsverlust ein, man benötigt höhere Dosen und wird womöglich sogar abhängig. Vertretbar erscheint die Verwendung solcher Mittel nur für kurze Zeit und dann unter strenger ärztlicher Kontrolle. Die regelmäßige Einnahme von Tranquilizern führt oft dazu, dass der Patient ein „graues“ Leben ohne emotionale Höhen und Tiefen führt. Zwar werden zum Beispiel Trauer und Unlustgefühle gedämpft, andererseits sind diese Menschen aber auch nicht mehr fähig, Glücksgefühle zu empfinden.

Absetzen von Tranquilizern

Schon nach ein- bis zweiwöchiger Einnahme kann das Absetzen der Tranquilizer verstärkt Angstzustände, Schweißausbrüche oder Schlafstörungen hervorrufen – genau die Symptome, die Tranquilizer ausschalten sollen. Das Absetzen der Mittel sollte daher nur allmählich erfolgen. Nach längerer regelmäßiger Einnahme besteht nur die Möglichkeit eines Entzugs. Die meisten Ärzte halten eine schrittweise Reduzierung der Dosis für sinnvoller, als die Umstellung auf ein anderes Mittel, das dann nach und nach abgesetzt wird. Je länger das Benzodiazepin eingenommen wurde, desto länger zieht sich die schrittweise Dosisreduzierung hin. Auf diese Weise bleiben die Entzugserscheinungen meistens in einem vertretbaren Rahmen. Bevor man sich auf die Wirkung von Tranquilizern verlässt, sollte – in Abstimmung mit dem Arzt – zunächst immer geklärt werden, ob bestehende Spannungen und Ängste nicht auch auf andere Weise abgebaut werden können. Gespräche über die Sorgen, die einen bedrücken, die Änderung der Lebensweise, Ruhe und Entspannung, Massagen, sportliche Aktivitäten, Spaziergänge oder autogenes Training sind oft sehr nützlich. Bei schweren Angstzuständen kann ein Psychologe durch Entspannungstraining und andere Methoden gegen Angstsymptome oder Panikanfälle helfen. Keinesfalls sollte Alkohol regelmäßig als „Beruhigungsmittel“ getrunken werden. Wer häufiger Alkohol zu diesem Zweck konsumiert, sollte auf jeden Fall mit einem Arzt sprechen, bevor die Situation außer Kontrolle gerät.