Neurologie

Neurologie ist die Bezeichnung für das Fachgebiet der Medizin, das sich mit Erkrankungen des Nervensystems einschließlich des Gehirns und Rückenmarks befasst.

Der Facharzt für Neurologie heißt Neurologe, und sein Aufgabengebiet umfasst hauptsächlich Erkrankungen, die eindeutig aus organischen Störungen des Nervensystems resultieren. Ist eine chirurgische Behandlung erforderlich, ist die Neurochirurgie beziehungsweise der Neurochirurg zuständig.

Arbeitsgruppen

Neurologen und Neurochirurgen bilden meist eine Arbeitsgruppe, weil ihre Gebiete sich weitgehend überschneiden. Es gibt klinische Abteilungen, die den größeren Lehrkrankenhäusern sowie rein neurologischen Kliniken zugeordnet sind. Sie fungieren gleichzeitig als Forschungs- und Ausbildungsstätte. Symptome, die auf Grund von Störungen des Nervensystems auftreten können, sind zahlreich und unterschiedlich. Ein besonderes Problem besteht für Neurologen darin, dass einige Symptome ganz geringfügig oder sogar unklar scheinen, mitunter aber doch schwere Erkrankungen anzeigen können. Andererseits können andere geringfügige Symptome, etwa Gefühllosigkeit, von relativ unerheblichen Störungen verursacht werden oder gelegentlich sogar von Ängsten herrühren. Gehirnerkrankungen geben sich eventuell durch Anfälle zu erkennen und durch Störungen und Mängel der Bewegungskontrolle. Symptome sind unter anderem auch gefühllose Stellen an Armen und Beinen oder Schwäche bestimmter Muskelgruppen. Sehstörungen können auftreten, auch Störungen des Geruchssinns und des Gehörs. Bei manchen Menschen kann es sogar zu Persönlichkeitsveränderungen kommen. Erkrankungen des Rückenmarks oder des peripheren Nervensystems zeigen sich durch fest umgrenzte schmerzende Stellen, Gefühllosigkeit, Schwäche oder Schwierigkeiten bei der Koordination von Armen oder Beinen. Neurologen befassen sich auch mit bestimmten Muskelerkrankungen, die sich durch Muskelschwäche bemerkbar machen.

Besonderheiten der Neurologie

Zu Beginn der Untersuchung nimmt der Neurologe eine kurze Befunderhebung der Erkrankungen vor, die den Symptomen zugrunde liegen könnten. Nach der Untersuchung können bestimmte Tests nötig sein, die die Richtigkeit der Diagnose bestätigen und sichern, bevor die Behandlung beginnen kann. Wenn zum Beispiel jemand über Schwäche in einer Körperhälfte klagt, weiß der Neurologe aufgrund des Aufbaus und der Funktion des Nervensystems, dass die eigentliche Störung in der anderen Gehirnhälfte liegt. Weitere Hinweise, etwa Sprachstörungen, ermöglichen dem Neurologen oft sehr genau, den Sitz von Hirnschädigungen zu lokalisieren.

Die Untersuchung

Der Neurologe beginnt die Untersuchung mit der Aufnahme der Vorgeschichte des Patienten. Oft geben die Entstehung, Ausbildung und der Verlauf von Symptomen einen wichtigen Hinweis auf die Art der Störung, an der der Patient leidet. Es folgen Fragen nach dem allgemeinen Gesundheitszustand und den Lebensumständen. Rauch- und Trinkgewohnheiten können eingehend erfragt werden, weil gewisse Störungen der peripheren Nerven besonders bei Rauchern oder Trinkern auftreten. Als nächstes wird der Patient körperlich untersucht. Manchmal ist eine gründliche Untersuchung faktisch aller Nerven nötig, zumal wenn die Symptome wenig Aufschluss über die mögliche Ursache der Erkrankung geben. Die Nerven, die die Sinnesorgane versorgen, werden für gewöhnlich als erste untersucht. Gesichts-, Hör- und Geruchssinn können getestet werden. Ebenso werden die Augenmuskeln untersucht, wobei der Patient von einer Seite zur anderen und von oben nach unten blicken muss. Die Netzhaut im Auge untersucht der Spezialist mit einem Ophthalmoskop (Augenspiegel).

Muskelfunktion

Dann werden eventuell die Muskeln untersucht, die für die Schluck- und Zungenbewegung zuständig sind, bevor sich der Arzt dem Rumpf und den Gliedmaßen zuwendet. Die Muskelfunktion wird getestet, indem der Patient nacheinander verschiedene Muskelgruppen anspannt und gezielt bewegt. Danach wird die Empfindung (Sensibilität) geprüft, und zwar streicht der Arzt dazu mit einem Watte bausch über die Haut, um die Reaktion auf leichte Reize festzustellen. Mit einer Nadel wird dann das Schmerzempfinden beurteilt. In bestimmten Fällen können Teströhrchen mit heißem und kaltem Wasser zur Überprüfung des Temperaturempfindens verwendet werden. Der Vibrationssinn wird mit einer Stimmgabel getestet, die an einem leicht zugänglichen Knochenpunkt angesetzt wird, etwa am Fußknöchel oder am Ellbogen. Bewegungskoordination kann beurteilt werden, indem man den Patienten verschiedene Bewegungen ausführen oder ein paar Schritte gehen lässt. Eine der bekannteren neurologischen Tests betrifft die Auslösung bestimmter Reflexe. Mit einem Reflexhammer wird eine Sehne am Arm oder am Bein beklopft. Sind die peripheren Nerven intakt, werden die betroffenen Muskeln kurzfristig gedehnt und ziehen sich dann in einem „Reflexzucken“ zusammen. Dadurch kommt die typische Arm- oder Beinbewegung zustande. Manchmal sind besondere Untersuchungsmethoden notwendig. Wenn der Neurologe eine Störung des Sehnervs vermutet, der die Netzhaut des Auges mit der Sehrinde im Gehirn verbindet, kann ein spezieller Test des Gesichtsfeldes durchgeführt werden. Die aus dieser detaillierten Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse können die genaue Lokalisierung einer Schädigung der Netzhaut erleichtern.

Sollte der Patient an Gedächtnisstörungen oder an Persönlichkeitsveränderungen leiden, können psychologische Tests erforderlich sein. Gegebenenfalls übernimmt dann ein Psychologe die genaue Untersuchung und Beurteilung des Patienten unter Verwendung verschiedener Standardtests, oft in Form eines Fragenkatalogs. Eine sorgfältige Aufnahme der Vorgeschichte des Patienten und die ambulant durchgeführte Untersuchung reichen meist für eine Diagnose aus.

Diagnostische Tests

Neurologen wenden eine ganze Reihe von Untersuchungsverfahren an, von denen einige die Beurteilung des Zustandes des Nervensystems, andere die Bewertung der Funktion ermöglichen. Zur ersten Gruppe gehören unter anderem verschiedene Röntgen- und Szintigrammuntersuchungen, zur zweiten Tests der elektrischen Leitfähigkeit und Beeinflussbarkeit des Nervensystems.

Röntgendiagnostik: Bei der Ausgangsbewertung vieler Beschwerden wird häufig eine normale Röntgenaufnahme von Schädel und Wirbelsäule gemacht, da die Knochen von Kopf und Rücken Aufschluss über die mögliche Krankheitsursache geben können. Oft müssen Kontrastmittel verwendet werden, um Arterien, Venen oder den Raum rund um das Rückenmark sichtbar zu machen; das nennt man Angiographie. Wird das Kontrastmittel mit einer langen Hohlnadel rund um das Rückenmark eingespritzt (Lumbalpunktion), nennt man das Myelographie. Dieses Verfahren der Röntgendiagnostik wird zur Bewertung von Störungen des Rückenmarks angewandt, besonders wenn Verdacht auf ein Geschwür in diesem Bereich besteht.

Gehirndiagnostik: Es gibt zwei grundlegende Arten der Gehirndiagnostik. Bei der Szintigraphie tasten Isotopendetektoren die winzige Strahlungsmenge ab, die von einer injizierten radioaktiven Substanz ausgeht, und „übersetzen“ sie in Bilder, die die in den verschiedenen Hirnregionen zirkulierende Blutmenge anzeigen. Da manche Krankheiten die Blutzirkulation beeinflussen, können durch das Szintigramm Wucherungen oder erkrankte Gehirnteile erkennbar gemacht werden.

Beim Computertomographie-Verfahren (CT) tasten Röntgenstrahlen eine bestimmte Schicht des Kopfes ab. Das sich daraus ergebende Muster wird an Kristalldetektoren weitergegeben. Diese Mikrokristalle sind für Röntgenstrahlen empfindlich und leiten das Muster an einen Computer weiter, der das Muster auswertet und verstärkt. Danach kann der Computer ein anatomisch genaues Bild vom Gehirn wiedergeben. Zwei weitere Möglichkeiten der Gehirndiagnostik gelangen zunehmend zur Anwendung. Bei der Kernspinntomographie entstehen Bilder des Gehirns durch die Registrierung winziger Veränderungen im Gewebe durch Erregung von Atomkernen in den Zellen, wenn diese einem magnetischen Feld ausgesetzt werden. Bei diesem Verfahren werden keine Strahlen verwendet, die den Patienten schaden könnten. Ein Positronenemissionstomograph (PET) untersucht den chemischen und den physikalischen Prozess, der ständig in den dünnen Gehirnschichten abläuft, und gibt Auskunft über Funktion und Struktur. Der PET Scanner ist von einem Zyklotron (Kreismagnetpositronenbeschleuniger) abhängig. Diese Tests sollen Mängel der elektrischen Funktionen in verschiedenen Teilen des Nervensystems aufspüren. Mit Hilfe des Elektroenzephalogramms (EEG) zum Beispiel können Menschen untersucht werden, die an Anfällen leiden. Es ist heute möglich, ein EEG über einen Zeitraum von 24 Stunden aufzuzeichnen und somit Anzeichen und räumliche Zuordnung von Anfällen im Gehirn zu erkennen, die auf dem gewöhnlichen EEG nicht unbedingt zu erkennen waren. Die Geschwindigkeit, mit der Impulse übermittelt werden, lässt sich testen, indem man die peripheren Nerven mit einem Stromstoß stimuliert und misst, wie schnell dieser Reiz in den Nerven weitergeleitet wird. Sowohl EEG als auch die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit sind vollkommen ungefährlich und schmerzlos. Die Elektromyographie (EMG) untersucht den Zustand der Muskeln, indem feine Nadeln in diese eingeführt und ihre elektrische Aktivität registriert werden. Diese Untersuchung liefert Informationen über Entzündungen oder andere Störungen in Muskeln und den dazugehörigen Nerven. Blutuntersuchungen können Aufschluss über den Gesundheitszustand eines Menschen geben und werden auch von den Neurologen für die Diagnose eingesetzt.