Narkose

Narkose und Schmerzausschaltung ermöglichen es, sonst schmerzhafte Behandlungen oder Operationen völlig beschwerdefrei durchzuführen. Wie wirkt die Narkose, welche Verfahren gibt es, und ist die Narkose immer sicher?

Als man Schmerzen noch nicht gezielt ausschalten konnte, waren selbst kleinste Operationen oft äußerst qualvoll. Karikaturen aus früheren Zeiten zeigen eindrucksvoll, welche Martern etwa das Ziehen eines Zahnes bedeutete. Heute haben es die Patienten in dieser Hinsicht bedeutend besser. Bei leichteren Operationen kann eine örtliche Betäubung durchgeführt werden. Bei schwereren und längeren Operationen erhalten die Patienten eine Vollnarkose. Die Vollnarkose wird angewendet, wenn der Patient völlig empfindungslos und sein Bewusstsein vollkommen ausgelöscht sein soll. Der Anästhesist lenkt Dauer und Tiefe der Narkose und überwacht während dieser Zeit die lebenswichtigen Körperfunktionen. Er kontrolliert unter anderem regelmäßig Puls, Blutdruck und die Atemtätigkeit. Der Anästhesist achtet auch darauf, dass die Luftwege des Patienten frei bleiben und eventueller Schleim oder Blut abgesaugt wird. Über einen Dauertropf kann er im Bedarfsfalle ohne großen Zeitverlust Bluttransfusionen geben. Auf diesem Wege können auch schnell Medikamente zugeführt werden, wenn Komplikationen auftreten sollten. Etwa ein veränderter Herzrhythmus oder Kreislaufprobleme. Im allgemeinen sind Narkosezwischenfälle sehr selten. Ebenso wenig braucht der Patient zu befürchten, frühzeitig aus der Narkose aufzuwachen. Der Anästhesist weiß, wann er Narkosemittel während der Operation nachgeben muss, um den Betäubungszustand aufrechtzuerhalten.
Narkosemittel werden entweder intravenös (durch eine Infusion in die Vene) verabreicht oder in Form eines Gasgemisches inhaliert. Je nach Art und Dauer der Operation werden beide Verfahren möglicherweise kombiniert.

Narkosestadien

Man unterscheidet drei Narkosestadien: Zunächst fühlt sich der Patient angenehm schläfrig. Seine Atmung ist normal. Er nähert sich der Bewusstlosigkeit und verliert das Schmerzempfinden (Analgesie-Stadium). In der zweiten Phase ist das Bewusstsein ausgeschaltet. Der Patient verhält sich aber eher unruhig, hat gesteigerte Reflexe und atmet unregelmäßig (Exitations- oder Erregungstadium). Es folgt das Toleranzstadium mit tiefer Bewusstlosigkeit, unregelmäßiger Atmung und entspannter Muskulatur. Nun kann der Chirurg operieren. Mit Hilfe moderner Narkosemittel und Anästhesieverfahren ist es möglich, die ersten zwei Stadien schnell zu überwinden und in kürzester Zeit das Toleranzstadium zu erreichen. Der Anästhesist weiß die typischen körperlichen Symptome in diesen Stadien zu erkennen und zu lenken. Bei den meisten größeren Operationen unter Vollnarkose wird, sobald die Bewusstlosigkeit eingetreten ist, zusätzlich ein Muskelrelaxans gegeben. Diese Substanz bewirkt die völlige Erschlaffung der Muskulatur, was die Arbeit des Chirurgen sehr erleichtert. Das Muskelrelaxans lähmt auch die Atemtätigkeit. Der Anästhesist verwendet deshalb ein Beatmungsgerät. Damit kann er die Atmung des Patienten sehr viel besser unter Kontrolle halten. Das Beatmungsgerät ist mit einem komplizierten Blasebalgsystem vergleichbar. Der Anästhesist führt einen schmalen Kunststoffschlauch (Endotrachaltubus) in die Luftröhre (Trachea) des Patienten, sobald dieser schläft. Der Tubus wird durch einen kleinen, aufblasbaren Ballon luftdicht in der Luftröhre verblockt und über Kunststoffschläuche und mehrere Ventile ans Beatmungsgerät angeschlossen. Es wird mit Sauerstoff und Narkosegasen gespeist. Der Anästhesist hat jetzt eine exakte Kontrolle über die Atemgeschwindigkeit und die zugeführte Sauerstoffmenge und kann die Konzentration des Narkosemittels präzise festlegen. Ist die Operation abgeschlossen, wird die Wirkung des Muskelrelaxans durch Gabe eines anderen Medikamentes aufgehoben, und der Patient atmet wieder selbständig.

Lokalanästhesie

Die örtliche Betäubung wendet der Arzt an, um eine Ausschaltung der Schmerzempfindung in einem begrenzten Körperbereich bei Erhaltung des Bewusstseins zu erreichen. Das Betäubungsmittel (Anästhetikum) kann in Salben- oder Gelform auf Haut und Schleimhaut gestrichen werden. Manche anästhesierenden Lösungen sind als Spray zu verwenden. Meistens werden die Mittel gespritzt. Sie betäuben die sensiblen Nerven des jeweiligen Bereichs, so dass keine Schmerzimpulse zum Gehirn geleitet werden. Der Chirurg kann dann operieren, obwohl der Patient bei vollem Bewusstsein ist. Am häufigsten ist die Lokalanästhesie bei der Zahnbehandlung. Der Zahnarzt injiziert das Betäubungsmittel um den zu behandelnden Zahn herum, oder er unterspritzt gezielt einen Nerven, so dass ein größerer Bereich schmerzunempfindlich wird. Dieses Verfahren heißt Nervenblockade. Sollte die Wirkung vorzeitig nachlassen, kann der Zahnarzt problemlos erneut betäuben. Es ist sehr unüblich, dass ein Zahnarzt Vollnarkose gibt. Wer Weisheitszähne unter Vollnarkose ziehen lassen will, sollte ins Krankenhaus gehen. Chirurgen wenden Lokalanästhesie bei kleineren Operationen (z. B. Mandelentfernung) an oder wenn kleinere Wunden zu nähen sind. Aber auch kompliziertere chirurgische Eingriffe lassen sich mit örtlicher Betäubung durchführen. Leistenbrüche (Hernien) zum Beispiel können unter Infiltrationsanästhesie (Einspritzen des Betäubungsmittels in das Unterhautfettgewebe) operiert, Knochenbrüche an Arm oder Bein gerichtet werden. Das gebräuchlichste Anästhetikum ist das Lidocain. Es kann zu vielen Zwecken eingesetzt werden. Ein neueres, länger wirkendes Mittel heißt Bupivacain. Diese Substanz kommt bei der sogenannten Spinalanästhesie oder Epiduralanästhesie zum Einsatz. Die Nerven nahe dem Rückenmark werden betäubt. Der Patient wird unterhalb der Taille empfindungslos, bleibt aber bei Bewusstsein. Bei Operationen im Unterbauch oder an den Beinen wendet man diese Form der Schmerzausschaltung an. In manchen Fällen kann die Epiduralanästhesie auch als Behandlungsmethode gegen ständige Schmerzen, zum Beispiel schwere Rückenschmerzen, Linderung verschaffen.

Nachwirkungen einer Narkose

In den vergangenen Jahren wurden viele neue Narkosemittel entwickelt, die eine rasche Wiedererlangung des Bewusstseins gewährleisten. Narkosenachwirkungen gibt es heutzutage kaum noch. Bei lokaler oder Spinalanästhesie ist manchmal an der Einstichstelle für wenige Stunden ein leichter pieksender Schmerz spürbar. Nach einer Vollnarkose treten Übelkeit und Erbrechen – früher häufiger zu beobachten – normalerweise nicht mehr auf. Mögliche Kopfschmerzen durch eine Narkose verschwinden meistens nach kurzer Zeit. Wurden Muskelrelaxantien gegeben, können sich einige Tage lang Muskelschmerzen einstellen.