Fast jeder Mensch zieht sich irgendwann einmal einen Knochenbruch zu. Moderne Behandlungsmethoden ermöglichen in fast allen Fällen eine Heilung ohne bleibende Bewegungseinschränkung.
Von einem Knochenbruch oder einer Fraktur spricht man immer dann, wenn ein Knochen durch Gewalteinwirkung mechanisch geschädigt wird. Der Schweregrad dieser Verletzung kann sehr unterschiedlich sein. Es handelt sich möglicherweise um einen Bruch, bei dem die den Knochen umgebende Knochenhaut nicht verletzt ist. Solche Brüche heilen sehr schnell, weil die Heilung in erster Linie von der Knochenhaut ausgeht. Man bezeichnet sie als Grünholzbrüche oder -frakturen.
Der Begriff Grünholz spielt auf die Art an, in der ein junger (grüner) Weidenzweig im äußeren Bereich bricht, wenn er zu stark gebogen wird. Diese Verletzung tritt ausschließlich bei sehr jungen, elastischen Knochen auf und kommt deshalb nur bei Kindern vor. Ist der Knochen in mehrere kleine Teile zerbrochen, spricht man von einem Splitterbruch oder einer Trümmerfraktur. Wird durch Teile des gebrochenen Knochens die Haut durchbohrt, handelt es sich um eine offene Fraktur. Brüche infolge einer Knochenerkrankung werden von den Medizinern als pathologische Frakturen bezeichnet. Offene Frakturen sind grundsätzlich ernster als solche, bei denen die Haut und die Weichteile nicht verletzt sind (geschlossene Frakturen), weil erstere das Risiko einer Infektion mit sich bringen. Eine Reihe von Frakturen, Splitterbrüche zum Beispiel, können als offene oder geschlossene Fraktur auftreten.
Pathologische Frakturen
Wenn die Knochen aufgrund von Osteoporose (Knochenschwund), die vor allem bei älteren Menschen vorkommt, zu stark geschwächt oder wenn sie durch einen Knochentumor geschädigt sind, können pathologische Frakturen auch ohne jede Gewalteinwirkung auftreten. Dieser Typ des Knochenbruchs, der ohne oder infolge von minimaler Fremdeinwirkung auftritt, ist immer auf eine Knochenerkrankung zurückzuführen. Ein gesunder Knochen bricht nur unter starker Gewalteinwirkung. Allerdings hängt seine Anfälligkeit für eine Fraktur auch von seiner Lage im Körper, seiner Dicke und von der Art der Gewalteinwirkung ab. So sind die Gliedmaße anfälliger für Brüche als das Becken.
Widerstandsfähigkeit
Die langen Knochen von Armen und Beinen sind außerordentlich widerstandsfähig gegen Gewalteinwirkung in Längsrichtung. Sie brechen dagegen relativ leicht, wenn eine Kraft quer zu ihrem Verlauf einwirkt. Diese Röhrenknochen sind nicht überall gleich dick und brechen besonders leicht an ihrer schmalsten Stelle. Diese Stelle wird als chirurgischer Hals bezeichnet. Die drei häufigsten Frakturtypen sind Brüche der Hand-, Hüft- und Fußgelenkknochen. Die häufigste Bruchverletzung des Handgelenks ist Folge eines Sturzes auf die ausgestreckte Hand, wenn sie instinktiv zum Abfangen des Sturzes benutzt wird. Dabei bricht der große Unterarmknochen (die Speiche) am unteren Ende. Das gebrochene untere Ende wird nach hinten verschoben, so dass der Unterarm vor dem Handgelenk nach oben gebogen erscheint. Man bezeichnet diese Fraktur auch als distalen Speichenbruch oder Collsche-Radiusfraktur. Sie kann in jedem Alter auftreten, ist jedoch bei älteren Menschen häufiger.
Frakturen der Hüftknochen kommen fast ausschließlich bei alten Menschen vor. Die Verletzung ist die Folge eines Sturzes auf die Seite; der Oberschenkelknochen bricht dabei an seiner schmalsten Stelle unmittelbar unter dem Hüftgelenk. Ein solcher Oberschenkelhalsbruch ist ein medizinischer Notfall, weil der Betroffene nicht mehr gehen kann. Er sollte umgehend von einem Krankenwagen ins Krankenhaus gefahren und dort geröntgt werden.
Die Torsion (Verdrehung) des Sprunggelenks, auf dem das volle Körpergewicht lastet, führt häufig zu einer Fraktur der Knochen des unteren Beinendes mit Bandverletzungen im Bereich des Sprunggelenks. Dieser Bruch wird nach dem Mediziner, der ihn zuerst beschrieben hat, als Pottsche-Fraktur bezeichnet.
Symptome
Gleichgültig, welche Ursache ein Bruch hat, die Symptome sind stets ähnlich: Der Patient hat Schmerzen, die betroffenen Gliedmaße (Extremitäten) erscheinen eventuell verformt und können nicht gebraucht werden. Möglicherweise treten Anzeichen eines Schocks (Schweißausbruch und Blässe) auf, der auf den Blutverlust an den gebrochenen Knochenenden zurückzuführen ist.
Wird der Knochen vom Arzt bewegt, reiben die Bruchenden unter Umständen aneinander und verursachen ein knisterndes Geräusch (Krepitation). Der Arzt spürt die Krepitation auch als Knirschen, wenn er dabei die Hand auf die Bruchstelle legt. Während Schmerzen so gut wie immer auftreten, sind weitere Anzeichen nicht grundsätzlich vorhanden. Zur Erhärtung der Diagnose und zur Feststellung der genauen Lage der Verletzung ist deshalb eine Röntgenaufnahme erforderlich.
Probleme der Diagnose
Frakturen tragender Knochen wie der Beinknochen sind meist auffälliger, weil der Patient in der Regel gar nicht mehr oder nur noch mühsam gehen kann. Ein Bruch an anderen Stellen dagegen – etwa ein Mittelhandknochen- oder Rippenbruch – bleibt unter Umständen unbemerkt. Bei kleinen Kindern sind Brüche ebenfalls nicht leicht festzustellen, weil die Kinder noch nicht sagen können, wo es wehtut.
Bei älteren Menschen kommen Knochenbrüche ohne nennenswerte Gewalteinwirkung vor, die manchmal auch kaum Schmerzen verursachen. Die größte Gefahr bei einem Knochenbruch ist ein Schock durch Blutverlust. Dieser kann eine lebensbedrohliche Komplikation darstellen. Knochen werden wie alle anderen Körpergewebe zwecks Ernährung durchblutet. Je größer der gebrochene Knochen ist, desto mehr Blut kann der Betroffene verlieren. Beispielsweise könnte ein Mann, der sich bei einem Motorradunfall einen Beckenbruch und zwei Beinbrüche zugezogen hat, in kurzer Zeit bis zu vier Liter Blut verlieren. Deshalb widmen sich die Ärzte zunächst der Behandlung des Schocks und der Schmerzlinderung. Erst dann versorgen sie den Bruch.
Bei bestimmten Brüchen kann es zu zusätzlichen Komplikationen kommen. Brüche des Schädelknochens schädigen unter Umständen das darunter liegende Hirngewebe. Das geschieht entweder direkt durch die Bruchenden oder indirekt infolge des von einer Blutung verursachten starken Drucks. Bei Verdacht auf Schädelbruch wird der Patient immer vorsorglich in ein Krankenhaus gebracht und mindestens zwölf Stunden beobachtet. Das häufigste Warnsignal für das Vorliegen eines Gehirnschadens ist zunehmende Benommenheit nach der Verletzung.
Die Fraktur einer unteren Rippe kann auf der linken Seite mit einem Milzriss und auf der rechten Seite mit einem Leberriss einhergehen. Dann kommt es aufgrund des Blutverlusts zum Schock, der sofort behandelt werden muss. Beckenbrüche können zu einer Verletzung der Blase oder der Harnröhre führen. Wirbelbrüche erfordern eine besonders sorgfältige Behandlung, da es sonst möglicherweise zu einer Verletzung des Rückenmarks und zu schweren Lähmungen kommt.
Frakturen von Armen und Beinen sind zwar sehr schmerzhaft, aber nicht besonders gefährlich, vorausgesetzt der Blutverlust wird unter Kontrolle gebracht. Bisweilen kommt es jedoch infolge von Brüchen zu einer Behinderung der Blutversorgung des Knochens. Dieser heilt dann nicht. Beispiele sind Brüche von kleinen Hand- oder Fußknochen. Bei einem jungen Menschen können Knochen aufhören zu wachsen, falls die Fraktur die Wachstumsfuge zerstört. Die Folge ist dann, dass betroffene Gliedmaße nicht mehr wachsen und nach Abschluss des Wachstums am Ende der Pubertät verkürzt sind. Die Wachstumsfuge des Knochens befindet sich immer dicht am Gelenk. Eine Fraktur in der Nähe des Gelenks ist deshalb schwerwiegender als eine in der Mitte vom Knochenschaft.
Behandlung
Der Schock wird durch Bluttransfusionen behoben, gegen die Schmerzen erhält der Patient Medikamente. Dann wird die Fraktur versorgt. Hierbei muss darauf geachtet werden, ob die Knochenenden durch die Gewalteinwirkung gegeneinander verschoben sind. Ist das der Fall, müssen sie in ihre ursprüngliche Lage gebracht, daher eingerichtet werden. Der Patient erhält ein kurzfristig wirkendes Anästhetikum (Betäubungsmittel), damit der Bruch schmerzfrei repositioniert (eingerichtet) werden kann. Eine solche Reposition zählt zu den konservativen (nicht-operativen) Behandlungsmethoden. Anschließend werden die Knochen durch einen Gipsverband ruhiggestellt. Er wird angelegt, während der Patient noch in der Narkose ist.
Gipsverbände müssen, je nach Art und Lage der Fraktur, unterschiedlich lange getragen werden. Ein gebrochenes Bein, das ja das Körpergewicht zu tragen hat, muss im allgemeinen mindestens zwölf Wochen im Gipsverband bleiben. Wenn ein Knochen gebrochen ist, der kein Körpergewicht zu tragen hat, beispielsweise ein Armknochen, braucht er nur sechs Wochen im Gips zu bleiben. Bei schweren Splitter- oder Torsionsbrüchen ist eine Reposition im konservativen Verfahren oft unmöglich. Es müssen die Knochenenden durch eine seitlich angeschraubte Metallplatte oder einen Metallnagel, der in die Markhöhle der Röhrenknochen eingeführt wird, miteinander verbunden werden.
Neben Gipsverband und operativer Fixierung besteht eine weitere Therapiemöglichkeit im Anlegen eines Streckverbands (Extension). Er wird angewendet, wenn Muskelkräfte die Knochenteile immer wieder gegeneinander verschieben.