Kinderlähmung

Seit der Einführung der Schluckimpfung in Österreich erkrankt kaum noch jemand an Kinderlähmung. Trotzdem ist es auch heute noch wichtig, sich gegen diese Krankheit impfen zu lassen.

Die spinale Kinderlähmung oder Poliomyelitis ist eine hochgradig ansteckende Krankheit, die von drei verschiedenen, doch miteinander verwandten Virusarten verursacht werden kann. Sie ruft bei einer milden Verlaufsform lediglich leichte Symptome wie Magenverstimmung, Durchfall, Kopfschmerzen, Schnupfen und Fieber hervor. Befallen die Erreger jedoch das zentrale Nervensystem, kann es zu einer Hirnhautentzündung, zu Lähmungen und Atemstillstand kommen.

Der Erreger dieser Krankheit, die meist nur kurz Kinderlähmung oder Polio genannt wird, befällt vor allem die Zellen des Rückenmarks und des Gehirns, die die Muskulatur steuern. Am häufigsten sind die Nervenzellen betroffen, die die Arm- und Beinmuskeln bewegen oder die Atmung und das Schlucken steuern. In den befallenen Nervenzellen kommt es durch die Abwehrreaktionen des Immunsystems zu Entzündungen. Die Folge sind Lähmungen der zu den betroffenen Nervenzellen gehörenden Muskelgruppen.

Symptome

Bei den meisten Menschen, die sich mit dem Poliovirus infizieren, kommt es zu keinerlei Krankheitssymptomen. Nur etwa jeder Hundertste erleidet die schwerste Form der Erkrankung, die Lähmung. Zwischen den beiden Extremen – völlige Symptomfreiheit und Lähmung – gibt es aber eine ganze Reihe von Übergangsformen, die häufiger vorkommen.

Eintrittspforte des Virus in den menschlichen Organismus ist die Schleimhaut von Rachen, Magen und Darm. Bricht die Krankheit einmal aus, zeigen sich daher dort in der Regel die ersten Symptome, etwa Schnupfen, Hals- und Magenbeschwerden oder Durchfall. Diese Beschwerden können von Fieber begleitet sein, das im typischen Fall zweigipflig verläuft: Nach dem Abklingen der ersten – wenige Tage andauernden – Fieberphase setzt nach einigen Tagen erneut Temperatur ein. Damit ist die Krankheit in der Regel überwunden.

Bei einem kleinen Prozentsatz der Erkrankten können dann nach einigen Wochen jedoch Symptome eines Nervensystembefalls auftreten. Anfangs sind diese Symptome nur leicht – sie beschränken sich auf Muskelschmerzen. Auch in diesem Stadium verschwindet die Krankheit oft von selbst wieder. Geschieht dies nicht, können ernstere Anzeichen einer Hirnhautentzündung mit Nackensteifigkeit und Lichtüberempfindlichkeit auftreten. Auch können die Muskeln eines Arms oder Beins schwächer werden und schließlich völlig gelähmt sein. In besonders schwer verlaufenden Fällen können diese Lähmungen so umfassend sein, dass sie alle Gliedmaßen sowie die Muskeln in Mitleidenschaft ziehen, die für das Schlucken und die Atmung zuständig sind. Das ist das gefährlichste Stadium der Polio, weil der Patient dann oft ohne Hilfe eines Beatmungsgeräts nicht mehr atmen kann und möglicherweise stirbt.

Nach einer Zeit mit wechselnden Symptomen geht die Entzündung, die die Krankheitserscheinungen ausgelöst hat, zurück, da das Abwehrsystem des Körpers die Oberhand über das Virus gewinnt. Sind Lähmungen aufgetreten, können sie in der Folgezeit allmählich zurückgehen, weil die unbeschädigten Nervenzellen bis zu einem gewissen Grad Funktionen zerstörter Zellen übernehmen können. Oftmals bleibt allerdings eine Schwäche der Gliedmaßen zurück, im ungünstigsten Fall sogar eine völlige Lähmung.

Behandlung und Prognose

Viruskrankheiten lassen sich im Gegensatz zu bakteriellen Infektionen nur schwer medizinisch beeinflussen, wenn sie erst einmal ausgebrochen sind. Mit Antibiotika lässt sich nämlich nichts gegen diese Erreger ausrichten. Das bedeutet, dass die Behandlung eines mit Polio Infizierten sich auf den Versuch beschränken muss, dem Patienten möglichst Schonung und Ruhe zu verschaffen, damit der Organismus die Krankheit selbst besiegen kann.

Obwohl es also keine spezielle Behandlungsmethode gibt, kann man doch sehr viel tun, um die schwersten Symptome zu lindern. Hohes Fieber schwächt den Körper und muss daher gesenkt werden, zum Beispiel mit kalten Wadenwickeln. Ist das Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen – das Stadium, in dem meist erst die Diagnose „Polio“ gestellt wird – muss der Patient das Bett hüten, um sich zu schonen. Wenn es den Anschein hat, dass die Lähmung sich auf die Schluck- und Atemmuskeln ausbreitet, wird die Atemtätigkeit des Patienten laufend kontrolliert.

Da in seltenen Fällen auch die Herzfunktion betroffen sein kann, wird auch der Herzrhythmus beobachtet. Sind die Gliedmaßen des Patienten gelähmt, muss er sorgfältig gepflegt werden, damit er sich nicht wund liegt. Außerdem wird Krankengymnastik angewandt, damit die betroffenen Gliedmaßen geschmeidig bleiben und dem Muskelschwund vorgebeugt wird.

Glücklicherweise bekommen die meisten Menschen, die sich mit dem Polio-Virus infizieren, keine schweren Symptome. Sie können den Erreger jedoch auf andere übertragen, bei denen dann die Krankheit einen viel schwereren Verlauf nehmen kann. Kommt es im Verlauf der Krankheit zu einer Hirnhautentzündung, bildet sich diese ohne Folgen zurück. Die Prognose für Lähmungserscheinungen hängt vom Grad der Störung ab. Bleibt über die ganze Zeit der akuten Infektion eine gewisse Muskelkraft der betroffenen Gliedmaßen erhalten, sind die Aussichten gut. In jedem zweiten Fall jedoch, bei dem es zu Lähmungen gekommen ist, bleiben Restlähmungen zurück.

Vorbeugung

Die beste Vorbeugung gegen Kinderlähmung ist immer noch die Schluckimpfung, das heißt, der Impfstoff wird nicht gespritzt, sondern auf einem Zuckerstück eingenommen. Bei uns bekommen heute die meisten Babys und Kleinkinder routinemäßig die Polio-Schluckimpfung zusammen mit den anderen Schutzimpfungen.

Es ist auch heute noch sehr wichtig, dass jeder an der Schluckimpfung teilnimmt, denn nur dadurch kann man diese Krankheit wirksam bekämpfen. Die Impfung ist dreiteilig, da es drei Typen des Polio-Virus gibt.