Kieferorthopädie

Ungleichmäßige oder vorstehende Zähne lassen sich mit wenigen Ausnahmen durch eine kieferorthopädische Behandlung regulieren. Idealerweiser erfolgt die Zahnregulierung noch im Kindesalter.

Die Kieferorthopädie ist ein Teilgebiet der Zahnheilkunde. Sie befasst sich mit der Korrektur von Fehlstellungen der Zähne und irregulärer Verzahnungen, also falscher Stellung der oberen gegenüber den unteren Zähnen. Für diese Form der Behandlung sind oft Vorrichtungen – sogenannte kieferorthopädische Apparate – erforderlich, die die Zähne allmählich in ihre korrekte Position drücken. Stehen die Zähne zu eng, müssen einige möglicherweise gezogen werden, damit Platz für die übrigen geschaffen wird. Zahnspangen wirken dadurch, dass sie über einen längeren Zeitraum einen leichten, aber beständigen Druck ausüben.

Normale Zahnstellung

Die Zähne bilden im Ober- und Unterkiefer je einen Zahnbogen. Im Idealfall sind der obere und der untere Zahnbogen in sich symmetrisch, und die Zähne stehen regelmäßig. Sie dürfen sich also nicht überlappen und auch nicht zu weit auseinanderstehen. Der obere Bogen ist etwas größer als der untere, daher Ober- und Unterkiefer stehen sich nicht genau gegenüber, sondern sind bis zu einer halben Zahnbreite gegeneinander verschoben. Das ermöglicht, dass einerseits die Schneidezähne wie eine Schere die Nahrung „abschneiden“, andererseits die Mahlzähne so ineinandergreifen, dass feste Nahrungsbestandteile beim Kauen zerrieben werden können. So wie sich die Menschen in der Größe und anderen Körpermerkmalen voneinander unterscheiden, sind auch bei jedem die Zahnstellung und das Verhältnis zwischen Ober- und Unterkiefer anders. Geringfügige Abweichungen vom Idealbild wirken sich aber weder auf die Gesundheit der Zähne noch auf das Aussehen des Betreffenden aus.
Eine kieferorthopädische Behandlung kann angebracht sein, wenn die Zähne so ungleichmäßig sind, dass sie das Aussehen beeinträchtigen. Sind die Zähne dadurch aber vorzeitiger Abnutzung ausgesetzt oder liegt eine Bissanomalie – auch Malocklusion genannt – vor, ist eine Behandlung erforderlich.

Ursachen von Unregelmäßigkeiten

Die meisten Faktoren, die Größe und Stellung der Zähne und Kiefer bestimmen, sind erblich bedingt, die von beiden Elternteilen ererbten Merkmale wirken sich also darauf aus, wie die Zähne wachsen. So kann ein Kind große Zähne vom Vater geerbt haben und von der Mutter die kleinen Kiefer, in denen dann die Zähne zu eng stehen. In vielen Fällen wirken sich auch Einflüsse von außen auf die Entwicklung der Zähne aus. Beispielsweise kann sich durch anhaltendes Finger- oder Daumenlutschen die Stellung der Schneidezähne (die vier mittleren Zähne im Ober- und Unterkiefer) ändern. Die Zahnstellung kann auch durch Erkrankung des Kiefers beeinflusst werden. Dies ist allerdings selten der Fall.

Zahnstein und Karies

Bei starken Unregelmäßigkeiten können mehrere Probleme auftreten. Zähne, die sich überlappen, lassen sich nicht so gut säubern, was leicht zur Bildung von Zahnstein und damit zu Zahnfleischerkrankungen und Karies führt. Eine Bissanomalie, bei der die unteren Schneidezähne nicht annähernd auf die oberen treffen, sondern sogar erheblich zurücktreten, führt mit der Zeit durch die Fehlbelastung zu einem Gaumenschaden. Manchmal tritt der Oberkiefer gegenüber dem Unterkiefer zurück, so dass die oberen Zähne hinter den unteren auftreffen. Die Fehlbelastung des Kiefers kann die Knochenoberflächen in den Kiefergelenken schädigen und damit zu einer Kiefergelenkarthrose führen. Stark unregelmäßig stehende Zähne können auch Ursache für Sprachfehler sein. In den meisten Fällen aber beeinträchtigen unregelmäßig stehende Zähne nur das Aussehen und werden deswegen vom Zahnarzt reguliert. Das für eine Behandlung günstige Alter hängt weitgehend vom Entwicklungsstadium der Zähne ab. Manchmal kann damit begonnen werden, noch bevor alle Milchzähne durch die bleibenden zweiten Zähne ersetzt sind. Aber in vielen Fällen kann die Behandlung erst einsetzen, wenn die Vorbackenzähne (Prämolaren) und die Eckzähne durchgebrochen sind. Das geschieht normalerweise im Alter zwischen elf und zwölf Jahren. Ist eine Behandlung erforderlich, wird dies mit dem Patienten oder, falls es sich um ein Kind handelt, mit den Eltern eingehend besprochen. Der Zahnarzt nimmt Abdrücke von den Zähnen, nach denen Gipsabgüsse hergestellt werden. Anhand von Röntgenaufnahmen stellt er fest, welche Lage die noch nicht durchgebrochenen Zähne im Mund einnehmen werden und welche Form der Kiefer hat. Außerdem werden oft Gesicht und Gebiss des Patienten fotografiert, um das Gesamtbild festzuhalten. Dann wird ein Behandlungsplan aufgestellt.

Platz durch Zahnziehen

Sind die Zähne im Verhältnis zum Kiefer zu groß, rücken sie so dicht zusammen, dass kein Zwischenraum mehr bleibt. Oftmals besteht die einzig mögliche Behandlung darin, dass man einige Zähne zieht, damit sich die übrigen normal entwickeln können. Der Zahnarzt plant genau, welche Zähne er ziehen (extrahieren) will. Sind alle in gutem Zustand, werden häufig die ersten Backenzähne gezogen. Sind jedoch plombierte oder beschädigte oder schief stehende Zähne vorhanden, werden oft diese Zähne gezogen. Nach der Extraktion verbessert sich im allgemeinen die Stellung der benachbarten Zähne ganz allmählich von selbst. Diese Verbesserung reicht jedoch in vielen Fällen nicht aus, um die Unregelmäßigkeiten der Zahnstellung ganz zu korrigieren, und es kann sich als notwendig erweisen, einen kieferorthopädischen Apparat anzubringen. Stets muss aber der Einsatz kieferorthopädischer Apparate erwogen werden, bevor Extraktionen vorgenommen werden, da die Erhaltung der Zähne ein vorrangiges Ziel der Zahnmedizin ist.

Kieferorthopädische Apparate

Es gibt verschiedene Formen kieferorthopädischer Apparate, die man in zwei Gruppen einteilen kann, nämlich funktionelle (mit von Gesichts- und KiefernmuskeIn erzeugten Kräften arbeitende) und solche, die mechanisch auf die Zähne einwirken. Funktionelle Apparate sind im allgemeinen aus Kunststoff- und Edelstahldraht und können vom Patienten eingesetzt und herausgenommen werden. Sie wirken stets gleichzeitig auf die oberen und die unteren Zähne ein und sollen zu einer besseren Verzahnung (Biss) führen. Die Zahnreihen des Gebisses werden als funktionelle Einheit behandelt, im Gegensatz zu mechanischen Apparaten, die die Zähne einzeln oder in Gruppen bewegen. Funktionelle Apparate können das Kieferwachstum ausnützen und sind deshalb am wirksamsten, wenn ein Kind rasch wächst. Stehen beispielsweise alle Zähne im Oberkiefer zu weit vor, kann ein funktioneller Apparat im richtigen Alter oft sowohl die Gesichtsform verbessern als auch einen besseren Kontakt mit den unteren Zähnen beim Beißen herbeiführen. Schnelles Wachstum der Kiefer fällt in dasselbe Alter, in dem auch das allgemeine Wachstum schnell fortschreitet.

Eingewöhnungsphase

Funktionelle Apparate können anfangs unbequem sein, bereiten aber dem gut motivierten Patienten nach einer Eingewöhnungsphase kaum noch Schwierigkeiten, weil genügend Platz dafür im Mund vorhanden ist. Da sie die normalen Wachstumskräfte nutzen, müssen sie, um möglichst wirksam zu sein, fast ständig im Mund getragen werden. In der Regel gehen die Kieferorthopäden heute davon aus, dass der Apparat praktisch 24 Stunden täglich getragen wird. Er muss jedoch zum Putzen der Zähne herausgenommen werden, ebenso möglicherweise beim Sport und beim Singen oder beim Spielen von Blasinstrumenten; manche Apparate müssen auch zum Essen herausgenommen werden. Mechanische Hilfsmittel setzen weniger Wachstumsvorgänge voraus, wirken aber ebenfalls in der Regel am besten bei Kindern.

Es gibt zwei Haupttypen mechanischer Apparate: Den einen kann der Patient selbst einsetzen und herausnehmen, der andere wird dauerhaft an den Zähnen befestigt und am Ende der Behandlung vom Zahnarzt entfernt. Herausnehmbare mechanische Apparate, die technisch viel einfacher sind als herausnehmbare funktionelle Apparate, werden im allgemeinen nur an den Zähnen eines Kiefers, in der Regel des Oberkiefers, angebracht. Sie bestehen aus Federn und Klammern auf einer Kunststoffplatte und bringen die Zähne durch Druck allmählich in eine andere Stellung. Es muss sorgfältig geprüft werden, ob im Einzelfall ein solcher Apparat die optimale Lösung ist.

Zum Glück erfordern bestimmte häufigere Malocklusionen, die schon in der frühen Kindheit erkennbar sind (zum Beispiel fehlerhafte Stellung einiger oberer Schneidezähne gegenüber den unteren), nicht unbedingt eine komplizierte Behandlung, so dass die Verwendung eines herausnehmbaren Apparates im Oberkiefer geeigneter ist. Obwohl diese Apparate von den Patienten herausgenommen werden können, müssen sie, um die bestmögliche Wirkung zu zeigen, möglichst ganztags getragen und immer nur für kurze Zeit herausgenommen werden, etwa nach dem Essen und vor dem Schlafengehen, damit eine ausreichende Reinigung der Zähne gewährleistet ist. Neue Apparate bereiten anfangs oftmals Schwierigkeiten beim Kauen. Der Patient gewöhnt sich aber im allgemeinen in recht kurzer Zeit an den Fremdkörper im Mund. Wird der Apparat herausgenommen (das kann gegen Ende der Behandlung jeweils für längere Zeit geschehen), sollte er immer ins Wasser gelegt werden, damit er nicht austrocknet und sich verformt.