Herzchirurgie

Heutzutage können Herzchirurgen Operationen durchführen, die früher undenkbar waren. Möglich sind diese Eingriffe vor allem durch die Herzlungenmaschine geworden. Während das Herz stillsteht, hält sie die Funktion des Blutkreislaufes aufrecht.

Seitdem der rasante technische Fortschritt in den fünfziger Jahren die Entwicklung von Herzlungenmaschinen möglich gemacht hat, operieren Chirurgen in der Regel am offenen Herzen. Dabei wird der Brustkorb aufgetrennt, die Herztätigkeit von einer Herzlungenmaschine übernommen, das Herz selbst geöffnet und dann unter direktem Einblick und Zugriff des Arztes operiert. Bevor diese Operationstechnik entwickelt war, konnten Eingriffe am Herzen nur über einen kleinen Schnitt vorgenommen werden. Durch diesen wurden die erforderlichen Instrumente in das Herz eingeführt, und der Arzt operierte, während das Herz schlug. Die Eingriffsmöglichkeiten waren dementsprechend beschränkt. Erst die Herzlungenmaschine ermöglicht es, das Herz für eine begrenzte Zeit zum Stillstand zu bringen und umfangreiche Operationen in seinem Innern vorzunehmen. Die Herzlungenmaschine leistet währenddessen die der Herztätigkeit entsprechende Pumparbeit und reichert das Blut mit dem erforderlichen Sauerstoff an.

Bevor die Entscheidung für eine Herzoperation fällt, erfolgen sehr umfangreiche Untersuchungen. Auch werden viele Herzpatienten erst einmal mit Medikamenten behandelt. Wenn die Erkrankung jedoch nur unzureichend auf diese Therapie anspricht, wird ein chirurgischer Eingriff erwogen.

Vor der Operation

Um die genaue Ursache eines Herzleidens zu ermitteln, werden die betroffenen Patienten mit Hilfe eines Herzkatheters untersucht: Der Arzt führt am Arm oder Bein einen feinen, ein Millimeter starken Schlauch in ein Blutgefäß ein und schiebt ihn bis zum Herzen vor. Soll das Herz geröntgt werden, spritzt er durch den Katheter ein Kontrastmittel, das für Röntgenstrahlen undurchdringlich ist. Die Kontrastmittelaufnahmen ermöglichen dann meist eine genaue Diagnose. Außerdem können die Blutdruckverhältnisse in den verschiedenen Abschnitten des Herzens gemessen werden. Falls erforderlich, führt der Arzt den Katheter sogar bis in die Herzkranzgefäße, um dort Verengungen aufzuspüren. Die Operation Die Narkose wird in der Anästhesie-Abteilung in der üblichen Weise eingeleitet. Darüber hinaus kommt der Patient an einen Dauertropf. Feine Druckmesser werden in eine Vene und eine Schlagader eingeführt, um während und nach der Operation die Blutdruckverhältnisse beobachten und regulieren zu können. Dann erst wird der Patient zum eigentlichen Eingriff in den Operationssaal gebracht.

Zunächst wird die Haut über dem Brustbein mit einem Schnitt geöffnet und dann das Brustbein der Länge nach mit einer elektrischen Säge aufgetrennt. Die beiden Knochenhälften werden mit Wundhaken auseinandergezogen und das Herz freigelegt. Dann wird der Patient an die Herzlungenmaschine angeschlossen. Das muss schnell und sorgfältig geschehen, damit das Gehirn gut durchblutet bleibt und keinen Schaden nimmt. Als erstes wird ein großer Schlauch in die Aorta (die aus dem Herzen führende Hauptschlagader) oder in die Oberschenkelarterie eingeführt und ein weiterer in die untere Hohlvene, die das Blut aus dem Körper zum Herzen zurückleitet. Die Schläuche werden dann mit der Herzlungenmaschine verbunden. Technisch gesehen besteht dieses Gerät aus einer Pumpe und einem Oxygenator. Die Pumpe übernimmt die pumpende Tätigkeit des Herzens. Durch den Oxygenator erfolgt der Sauerstoffaustausch im Blut. Er entzieht ihm das Kohlendioxid und reichert es dann mit Sauerstoff an, bevor es zum Patienten zurückfließt. Eine Fachkraft überwacht an der Maschine den Blutdruck und die Fließgeschwindigkeit des Blutes. Das Blut strömt vom Patienten über den Schlauch aus der unteren Hohlvene zur Herzlungenmaschine, durch diese hindurch und über den anderen Schlauch zur Aorta und damit wieder zum Patienten zurück. Das blutleere Herz hört meist spontan zu schlagen auf, andernfalls wird es mit Medikamenten zum Stillstand gebracht. Die Operation am Herzen kann beginnen.

Ersatz von Herzklappen

Der Mensch hat vier Herzklappen, deren Aufgabe darin besteht, den Blutstrom im Herzen in die richtige Richtung zu lenken. Da sich das Herz beim Pumpen in rhythmischem Wechsel zusammenzieht und weitet, würde das Blut ohne Klappen immer nur hin- und herfließen, nicht aber in einen Kreislauf gelangen. Die beiden Klappen auf der rechten Seite des Herzens sind die Trikuspidalklappe, die den rechten Vorhof von der rechten Herzkammer trennt, und die Pulmonalklappe, durch die das Blut in die Lunge gelangt. Die beiden linken Klappen sind die Mitralklappe, die zwischen linkem Vorhof und linker Kammer liegt, und die Aortenklappe, die das Blut in die Aorta lenkt. Eine Reihe von Krankheiten kann zur Schädigung einer oder mehrerer Herzklappen führen. Bei Rheumatischem Fieber kommt es gelegentlich sowohl zu einer Verengung, daher eingeschränkten Öffnungsfähigkeit (Stenose) als auch zu einer eingeschränkten Verschlussfähigkeit (Insuffizienz) einer Klappe.

Manchmal wird eine Herzklappe durch Vernarbungen auch so stark deformiert, dass Stenose und Insuffizienz gleichzeitig auftreten. Krankheitserreger, die ins Blut gelangt sind, oder ein Herzinfarkt können ebenfalls die Klappen in Mitleidenschaft ziehen. Am häufigsten ist die Mitralklappe betroffen, doch auch die Aortenklappe erkrankt nicht selten. Wenn Stenose oder Insuffizienz ausgeprägt sind, ist ein Klappenersatz eine weitere Möglichkeit, eine fortschreitende Überlastung des Herzens und schließlich ein Herzversagen zu verhindern. Um Herzklappen zu ersetzen, wird am offenen Herzen operiert. Der Patient ist an eine Herzlungenmaschine angeschlossen und das Herz geöffnet. Falls erforderlich, tauscht der Chirurg gleich mehrere Klappen aus.

Es gibt drei Arten von Klappenersatz. Zwei davon sind aus Kunststoff oder Metall und bestehen entweder aus einer kleinen Kugel, die sich in einer Art Käfig hin und her bewegt, oder aus einer Scheibe, die in nur eine Richtung pendeln kann und sich mit dem Herzschlag öffnet und schließt. Beim dritten Typ handelt es sich um biologisches Material, genauer gesagt: Schweineherzklappen. Sie sind besonders präpariert und werden gut vom menschlichen Körper angenommen, halten aber meist nicht so lange wie die anderen Typen. Die Wahl der Klappenart hängt von den individuellen körperlichen Bedingungen und der Art der Schädigung ab.

Bypass-Operation

Bypass-Operationen zählen heutzutage zu den häufigsten Eingriffen am Herzen. Verengte oder blockierte Herzkranzgefässe werden dabei mit einem Bypass (Umgehung) überbrückt. Die Operation räumt dem Patienten die Chance ein, trotz des Leidens recht alt zu werden und ein verhältnismäßig beschwerdefreies Leben zu führen. Herzkranzgefäßleiden zählen mittlerweile mit zu den häufigsten lebensbedrohenden Krankheiten in der westlichen Welt. Die Erkrankung beginnt damit, dass sich die Herzkranzgefäße, die Koronarien, durch Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) verengen. Da diese Gefäße den Herzmuskel mit Blut versorgen, kommt es bei körperlichen Anstrengungen, die auch dem Herzen mehr Arbeit abverlangen, zu einer Unterversorgung und zu Anfällen von Angina pectoris. Patienten, die an einer schweren oder einer sich schnell verschlechternden Angina pectoris leiden, werden normalerweise von einem Herzspezialisten untersucht und einer besonderen Röntgenaufnahme, einer Arteriographie, unterzogen. Diese zeigt die Koronarien. Wird nur eine einzige Verengung festgestellt, so sieht man meist von einem Eingriff ab. Es wird dann eventuell versucht, mit einem besonderen Katheter (Ballonkatheter ) den verengten Bereich des Herzkranzgefäßes zu erweitern. Wenn jedoch viele Verengungen vorliegen, rät der Arzt zur Bypass-Operation.

Für den Bypass werden Venengefäße aus dem Bein des Patienten verwendet. Das Herzkranzgefäß wird vor und hinter dem Hindernis geöffnet und ein passend zugeschnittenes Venenstück mit winzigen Stichen so auf die Öffnungen genäht, dass die blockierte Stelle mit dem Ersatzgefäß umgangen wird. Bis zu fünf oder sechs solcher Bypässe kann der Chirurg in einer Operation legen.

Angeborene Herzkrankheiten

Immer wieder kommen Kinder schon mit einem Herzfehler auf die Welt. Es gibt eine ganze Reihe solcher Defekte. Manche können nur mit einer Operation am offenen Herzen behoben werden. Relativ kleine Schäden mögen dabei in der Kindheit zunächst geringe Symptome zeigen und müssen erst später operiert werden. Im allgemeinen ist es technisch leichter, solche Eingriffe an älteren Kindern oder Erwachsenen vorzunehmen. Aber einige schwere Störungen machen es erforderlich, schon in den ersten Lebenswochen oder -jahren operativ vorzugehen. Es ist natürlich extrem schwierig, eine solche Operation an einem winzigen Säuglingsherzen durchzuführen. Die Ergebnisse sind jedoch sehr ermutigend, und für die Zukunft zeichnen sich noch größere Erfolge ab. Bei der wohl einfachsten Art eines angeborenen Herzfehlers handelt es sich um ein Loch in der Herzscheidewand: eine fälschliche Verbindung entweder zwischen den beiden Vorhöfen oder den beiden Herzkammern. Das kann zur Folge haben, dass das Blut von der einen Herzseite in die andere gelangt, ohne die Lunge passiert zu haben. Das Blut, das im Körper zirkuliert, hat dann einen zu geringen Sauerstoffgehalt. Kleine Löcher dieser Art können sich von selbst schließen, aber große müssen operativ behoben werden. Das Herz wird geöffnet und das Loch mit einem Gewebsstück aus dem das Herz einhüllenden Herzbeutel geschlossen. Es können auch synthetische Materialien, wie Dacron und Teflon, Verwendung finden.

Weitere angeborene Herzfehler können sein: die Stenose einer oder mehrerer Herzklappen oder auch Missbildungen der großen Gefäße, die am Herzen ansetzen. Bei einer der schwereren Formen handelt es sich um die Fallotsche Tetralogie, bei der gleich vier (griech. tetra) Fehlbildungen vorliegen. Die Pulmonalklappe ist verengt, die beiden Herzkammern sind durch ein Loch verbunden, die Aorta befindet sich am falschen Platz, und die rechte Seite des Herzens ist infolge der Fehlbelastung abnorm verdickt. Die Chirurgen können in den ersten Tagen nach der Geburt einen einfachen Eingriff durchführen, um zunächst die Kreislaufverhältnisse zu verbessern. Damit sind jedoch nicht alle Probleme behoben. Eine weitere umfangreiche Herzoperation ist erforderlich. Diese wird zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt.

Nach der Operation

Wenn die Herzoperation durchgeführt ist, wird die Herzlungenmaschine ausgekoppelt und das Herz wieder zum Schlagen gebracht. Das geschieht durch Stromstöße und eine allmähliche Drosselung der Maschinenleistung unter genauer Überwachung des Blutdrucks. Manchmal müssen zusätzlich Medikamente gegeben werden, um das Herz anzuregen, kraftvoll zu arbeiten. Ein feiner Draht wird zunächst im Herzmuskel belassen und durch die Brustwand nach außen geführt. An diesen kann ein Herzschrittmacher angeschlossen werden, sobald das Herz unregelmäßig zu schlagen beginnt. Das Brustbein wird mit Draht zusammengenäht. Einige Drainageschläuche (Abfluss-Schläuche) bleiben noch für einige Tage im Wundgebiet. Auch die Druckmesser für Venen- und Arteriendruck werden erst entfernt, wenn sich der Zustand des Operierten stabilisiert hat. Im Anschluss an die Operation liegt der Patient zunächst auf einer Intensivstation. Erst wenn er wieder bei vollem Bewusstsein ist und normal atmet, kommt er auf die Pflegestation.