Hämophilie

Hämophilie, die Bluterkrankheit, ist eine Erbkrankheit, die sich in einer mangelnden Gerinnungsfähigkeit des Blutes äußert. Bekannt geworden ist sie vor allem durch ihr gehäuftes Auftreten in Fürstenhäusern.

Unter Hämophilie leiden fast ausschließlich Männer. Ihnen fehlt einer jener Faktoren, die für die Gerinnung des Blutes notwendig sind, und wenn ein Blutgefäß beschädigt wird – durch eine kleine Verletzung oder, im Falle einer inneren Blutung, ohne erkennbare Ursache -, hört die Blutung nicht von selbst auf.

Gerinnungsablauf

Die Blutgerinnung besteht aus einer Kette komplizierter Abläufe und chemischer Reaktionen, die gut ineinandergreifen müssen, damit Blutungen rechtzeitig und nachhaltig gestillt werden. Auf der anderen Seite darf es zu keiner zu starken Reaktion kommen: Blutgerinnsel, die die Gefäße verstopfen und Infarkte oder Thrombosen auslösen können, wären die Folge. Wird die Gefäßwand verletzt, lagern sich als erste Reaktionen die im Blut befindlichen Blutplättchen (Thrombozyten) an der betreffenden Stelle ab, um den Schaden abzudichten.

Damit dieser Blutpfropf jedoch in einen stabilen Zustand übergeht, ist eine Vernetzung der Blutplättchen notwendig. Ein System vieler verschiedener sogenannter Blutfaktoren, die sich gegenseitig aktivieren, bewerkstelligt diese Vernetzung. Als erstes aktiviert der Faktor XII den Faktor XI, dieser den Faktor X, und so weiter bis zum Faktor I. Für jeden Faktor in dieser Kette sind bestimmte Gene (Träger der Erbanlagen) an ganz bestimmten Chromosomen (Träger der Gene) zuständig; wenn eines dieser Gene defekt ist, ist der Reaktionsablauf gestört, und das Blut kann nicht gerinnen. Ein Mangel an Faktor VIII ist für die häufigste Form der Hämophilie verantwortlich, die Hämophilie A.

Die Vererbung

Ein Mann erkrankt an Hämophilie, wenn ihm das defekte Gen, das Bestandteil des weiblichen Geschlechtschromosoms ist, von der Mutter, der Überträgerin, vererbt worden ist. Eine Frau besitzt zwei X-Chromosomen, ein Mann ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom (männliches Geschlechtschromosom). Ein Junge erbt vom Vater das Y-Chromosom und von der Mutter das X-Chromosom, ein Mädchen von jedem ein X-Chromosom

Leidet der Vater an Hämophilie, wird die Krankheit mit seinem fehlerhaften X-Chromosom deshalb immer nur an eine Tochter weitergegeben. Da der Sohn eines Bluters vom kranken Vater nur das gesunde Y-Chromosom übernimmt, ist er selbst nicht krank und kann die Krankheit auch nicht weitergeben; die Töchter hingegen werden alle Überträgerinnen sein.

Symptome und Diagnose

Die Symptome der Bluterkrankheit machen sich oft sehr früh bemerkbar. So kommt es bei betroffenen Säuglingen leicht zu Blutergüssen. Später treten besorgniserregende Symptome auf, besonders häufig Gelenkblutungen. Sie verursachen starke Schmerzen und Gelenkentzündungen, die bei wiederholtem Auftreten letztlich zu einer Deformation der Gelenke führen. Zu Blutungen kann es schon nach geringfügigen Verletzungen kommen, aber auch dann, wenn die Hautoberfläche gar keinen Schaden genommen hat. Kommt es, vor allem bei inneren Blutungen, zu unbemerkten großen Blutverlusten, so kann dies zum Tode führen.

Leichte Formen der Hämophilie werden oft erst nach dem Ziehen eines Zahnes offenbar, wenn Schwierigkeiten bei der Blutstillung auftreten. Die Schwere der Erkrankung hängt bei Hämophilie A davon ab, in welcher Menge der Faktor VIII vorkommt.

In manchen Fällen ist der Mangel nur geringfügig, in anderen ist der Faktor gar nicht vorhanden; das hat dann oft ernste Folgen. Treten bei einem Menschen Probleme bei der Blutgerinnung auf, so ist eine sichere Diagnose der Ursache nur durch genaue Laboruntersuchungen möglich. Denn neben der beschriebenen Form von Hämophilie gibt es etliche andere Möglichkeiten der Störung dieses komplizierten Systems.

Behandlung

Wenn eine Blutung nicht zum Stillstand kommt, muss ein Hämophilie-Kranker in ein Krankenhaus. Die Schwere der Blutung hängt von der Art der Verletzung und der vorhandenen Menge des Faktors VIII ab; diese Menge bestimmt, wie viel Faktor VIII zugeführt werden muss. Man kann den fehlenden Gerinnungsfaktor aus dem Blut von Spendern isolieren und ihn dem Patienten injizieren.

Wie alle anderen genetisch bedingten Krankheiten ist Hämophilie nicht heilbar, doch wenn ein Bluter sich vorsichtig verhält, kann er ein relativ normales Leben führen.

Hämophilie und AIDS

Der Gerinnungsfaktor VIII, mit dem die am häufigsten vorkommende Form der Hämophilie, die Hämophilie A. behandelt wird, muss aus menschlichem Blut isoliert werden, das zu diesem Zweck von einer großen Zahl gesunder Spender gesammelt wird.

Unglücklicherweise konnte bis Mitte der 80er Jahre das HIV – jenes Virus, das AIDS verursacht – in Blutprodukte gelangen. Dies geschah, bevor man das Virus genau bestimmt hatte, und so wurde eine Reihe von Blutern tragischerweise unwissentlich mit dem HIV-Virus infiziert.

Einige der Infizierten sind mittlerweile an AIDS erkrankt und gestorben. In Österreich und vielen anderen Ländern werden alle Blutspenden auf das HIV hin getestet und Blutprodukte einer besonderen Behandlung unterzogen, durch die eventuell vorhandene Viren abgetötet werden. Durch diese Maßnahmen wurde die Gefahr weitgehend gebannt, dass Bluter mit dem Virus infiziert werden können.

Bluter, die durch Blutübertragungen infiziert wurden – in vielen Ländern ist ein großer Anteil der Hämophilen Virusträger -, müssen durch Safer-Sex-Praktiken versuchen sicherzustellen, dass sie ihre Partnerin oder ihren Partner nicht ebenfalls infizieren.

Neue Möglichkeiten, den Faktor VIII zu gewinnen, hat die Gentechnologie eröffnet: Das genetische Material von Bakterien wird so verändert, dass diese den Faktor VIII produzieren.