Gesundbeten

Die Befürworter des Gesundbetens sind der Meinung, es könne insbesondere immer dann Erfolg haben, wenn die herkömmliche Medizin gescheitert ist. Die meisten Ärzte bleiben jedoch skeptisch, da wissenschaftliche Beweise für die Wirksamkeit solcher Praktiken fehlen.

Gesundbeter sind der Überzeugung, dass sie heilenden Kräften, die von Gott oder aus der Natur kommen, als Werkzeug dienen. Diese Kräfte können auf verschiedene Weise auf den Patienten übertragen werden. Die Bandbreite der Praktiken reicht vom Körperkontakt durch „Handauflegen“ bis zur Fernheilung. Bei letzterem Verfahren konzentriert sich der Heiler auf die Fotografie oder den Namen des Kranken, auf eine Locke aus seinem Haar oder auch nur auf eine winzige Blutprobe von ihm. Als bekanntes Beispiel für ein Gesundbeten gelten in der westlichen Welt die von Jesus bewirkten „Wunder“.

Jesus bediente sich verschiedener Methoden, um Kranke zu heilen – sei es, dass er sie berührte, sei es, dass er ihre Heilung einfach befahl. Viele Gesundbeter unserer Zeit haben starke religiöse Überzeugungen. Aber nicht alle gehen davon aus, dass der Patient ihren Glauben teilen muss, damit er geheilt wird. Es gibt Fälle, in denen Atheisten meinen, durch religiöses Gesundbeten geheilt worden zu sein, und umgekehrt auch Fälle, wo diese Art Gesundbeten tief religiösen Menschen nicht geholfen hat. Manchmal empfehlen Heiler ihren Patienten auch, sich zusätzlich zum Gesundbeten einer herkömmlichen ärztlichen Behandlung zu unterziehen.

Ärzte und Gesundbeter

Viele Ärzte gehen davon aus, dass ein Kranker wahrscheinlich ganzheitlich an Leib, Geist und Seele „geheilt“ werden muss, um wieder völlig gesund zu werden. Sie sind also durchaus bereit, die Behandlung des Körpers zu übernehmen, und raten dem Patienten vielleicht gleichzeitig, sich um seelische Heilung zu bemühen. Diese Heilung kann von einem Seelsorger oder Gesundbeter kommen, aber auch in Meditation oder Gebet gesucht werden. Beim Handauflegen, der häufigsten Methode des Gesundbetens, legt der Heiler seine Hände auf die betroffene Stelle, spricht dazu manchmal auch Gebete und lässt seine Energie in den Patienten strömen.

Manche Gesundbeter beziehen Meditationsübungen mit in die Behandlung ein – insbesondere wenn sie Krebs eindämmen wollen. Sie fordern den Patienten auf, sich vorzustellen, dass die betroffenen Körperteile heilen – die Geschwulst beispielsweise verdampft oder zerfließt. Über solche Verfahren berichten Patienten, dass sie eine intensive Hitze, Kälte oder ein Prickeln empfinden, das weit stärker ist als bei alleinigem Handauflegen. Sie geben ebenfalls an, dass sie sich sehr entspannt fühlen – was besonders die Heilung von Leiden fordert, die psychosomatisch, also seelisch-körperlich bedingt sind.

Ein Gesundbeten ist auch ohne die Anwesenheit des Patienten möglich: Man spricht dann von Fernheilung. Gelegentlich wird das mit der uralten Kunst des Pendelns kombiniert: Der Heiler hält ein Pendel über das „Zeugnis“ des Patienten – eine Fotografie, eine Haarlocke, ein Stück Stoff mit einem Blutfleck – und nimmt dann die Diagnose und Behandlung vor. Gelegentlich lässt er zudem für die Gesundheit des Patienten Gebete sprechen, während er seine Geisteskraft auf das Zeugnis konzentriert. Manche Patienten bestätigen eine Besserung. Es ist allerdings nicht erforscht, ob es dazu kommt, weil ihnen bewusst ist, dass jemand an sie „denkt“, oder ob sich ihr Zustand ohnehin gebessert hätte.

Andere Heilmethoden

Es gibt auch Heiler, die keine religiöse Inspiration für sich in Anspruch nehmen. Zu ihren Praktiken zählen beispielsweise: die „Geistheilung“ , die den Geist gesunden lässt und in der Folge auch den Körper; die „Geisterheilung“ , in deren Rahmen der Geist eines Verstorbenen gerufen und um Hilfe gebeten wird; die „Naturheilung“, bei der Energie des Universums oder der Natur auf den Patienten übertragen wird. Oft handelt es sich um eine Mischung der verschiedenen Techniken; aber das Handauflegen ist den meisten gemeinsam.

Daneben fasst autogenes Training (AT) als Methode zur Selbstheilung immer mehr Fuß. Sie ist psychotherapeutisch orientiert und kann allein oder in Gruppen angewandt werden. Zunutze macht man sie sich vor allem bei einer Reihe von Beschwerden, die wahrscheinlich psychosomatisch sind, wie etwa Schlaflosigkeit, Asthma, hoher Blutdruck und Hauterkrankungen. Autogenes Training wird heutzutage auch zunehmend bei Krebspatienten angewandt. Die Patienten wiederholen Sätze, die beinhalten, dass bestimmte Körperteile warm und schwer werden. In der Folge tritt diese körperliche Reaktion ein und zudem eine tiefe Entspannung. Insbesondere bei Krebsarten, die mutmaßlich durch eine geistige oder seelische, das Immunsystem des Körpers beeinträchtigende Störung ausgelöst wurden, lassen Ärzte die Patienten AT machen. Außerdem werden die Patienten aufgefordert, sich vorzustellen, dass der Krebs durch das Immunsystem des Körpers besiegt wird. Es handelt sich dabei um den Versuch, die Genesung durch den eigenen Willen positiv zu beeinflussen. Es bleibt festzustellen, inwieweit die Genesung von Krebspatienten tatsächlich auf solche Verfahren zurückzuführen ist. Sie sollen vor allem dann erfolgreich sein, wenn sie von einer herkömmlichen Behandlung begleitet werden.

Dichtung oder Wahrheit?

Gesundbeter machen viele Erfolge geltend, und einigen Kranken geht es nach einer solchen Behandlung in der Tat besser, doch die Gründe dafür bleiben weiter umstritten. Skeptiker argumentieren, die Patienten wären sicher auch ohne Gesundbeten geheilt worden. Die Genesung sei nur eine Frage der Zeit. Selbst bei schweren Erkrankungen wie Krebs habe es immer auch „Spontanremissionen“ (plötzliche Besserungen ohne erkennbaren Grund) gegeben. Wenn sich solche Veränderungen nach Besuchen bei einem Heiler einstellten, dann sei das lediglich Zufall. Dagegen behaupten die Heiler, sie seien in der Lage, auf den Patienten eine heilende Energie zu übertragen – auch wenn sie diese Kraft selbst nicht völlig verstünden. Bei einigen Heilem sind in von Wissenschaftlern geleiteten Untersuchungen ungewöhnliche Hirnstromwellen festgestellt worden. Und als Heiler und Patienten während der Heilbehandlung zusammen untersucht wurden, fand man heraus, dass sich diese Hirnstromwellen auf den Patienten übertrugen. Andere Tests im Labor haben zudem gezeigt, dass Heiler Hautverletzungen bei Mäusen schneller heilen konnten. Sie waren auch in der Lage, in Kolben eingeschlossene und von ultravioletten Strahlen geschädigte Enzyme (organische Verbindungen, die den Stoffwechsel des Körpers steuern) „gesunden“ zu lassen. Solche und andere Tests sind nicht immer erfolgreich. Es werden schlüssige Beweise nötig sein, wenn man die Mehrheit der Ärzte dazu bringen will, das Gesundbeten ernst zu nehmen.