Geisteskrankheiten

Sehr viele Menschen durchlaufen irgend wann eine Phase, in der sie enorme Schwierigkeiten haben, mit ihrer Umwelt zurechtzukommen. Wenn die Probleme unerträglich werden, können psychische Erkrankungen die Folge sein.

Unter Geisteskrankheiten oder auch Geistes- und Gemütserkrankungen versteht man in der Hauptsache Psychosen und die unterschiedlichen Formen einer geistigen Behinderung.

Psychosen sind krankhafte Störungen der seelischen Beziehungen eines Menschen zu seiner Umwelt. Der Kranke merkt dabei in der Regel nicht, dass er sich unnormal verhält. Er erlebt seine Umwelt jedoch so verändert, dass für andere Menschen sein Verhalten und Empfinden nicht mehr nachvollziehbar ist.

Es besteht zwar eine Einteilung in organische und funktionelle Geistesstörungen, aber eine strikte Trennung ist in vielen Fällen unmöglich. Experten sind sich sogar darüber einig, dass man oft gar nicht von einer Krankheit sprechen sollte, weil der Übergang zu psychischen Störungen fließend ist.

Psyche und Körper

Als psychogene Störungen mit vorwiegend körperlicher Symptomatik werden Krankheiten bezeichnet, bei denen psychogene (seelisch verursachte) Komponenten wesentlich zu körperlichen Veränderungen und Funktionsstörungen beigetragen haben. Mit anderen Worten: Das subjektive Erleben eines Menschen hat die Krankheit mitbedingt. Diese seelisch bedingten Erkrankungen können völlig unterschiedlicher Natur sein und umfassen sowohl Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, Atemstörungen (unter anderen Asthma), starke Schmerzen und Fettsucht.

Oligophrenie („Schwachsinn“) ist die negative Veränderung der Intelligenzentwicklung bei Kindern. Das heißt, die geistigen Fähigkeiten bleiben auf der Entwicklungsstufe eines Säuglings, Klein- oder Schulkindes stehen, beziehungsweise entwickeln sich nur bis zu dieser Stufe. Dieser psychische Schwächezustand wird entweder vererbt oder während der Schwangerschaft und auch in früher Kindheit erworben. Das Resultat ist ein Hirnschaden.

Die Ursachen für einen Gehirnschaden können völlig unterschiedlicher Natur sein und reichen von mechanischen Gehirnverletzungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Vergiftungen, Gehirnentzündungen und gerissenen Blutgefäßen im Gehirn bis hin zu bestimmten Stoffwechselkrankheiten.

Auch auf Grund des Alterungsprozesses können Gehirnschäden auftreten. Man spricht dann von seniler Demenz. Das Ergebnis ist ebenfalls ein geistiger Abbau.

Neurosen

Als Neurose bezeichnet man eine seelisch verursachte Störung, die eine erworbene abnorme psychische Entwicklung voraussetzt. Die Störung ist nicht organisch bedingt. Neurosen umfassen angst- oder zwangsneurotische, hysterische und depressive Fehlentwicklungen. Der Kranke ist sich der Tatsache bewusst, dass er sich nicht normal verhält. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen haben im allgemeinen ähnliche Probleme wie Personen, die an einer Neurose leiden, aber in einer weniger scharf umrissenen Form.

Ein obsessiver Mensch fällt vor allem durch Zwangsvorstellungen (Obsessionen) in Zusammenhang mit bestimmten Situationen auf. Die Zwangsvorstellungen können sich von Zeit zu Zeit ändern. Es entwickelt sich eine neue Obsession, während eine bestehende in den Hintergrund tritt.

Schizoide Persönlichkeit

In diese Kategorie gehört auch die schizoide Persönlichkeit, bei der einige Wahnvorstellungen und Emotionen auftreten, die üblicherweise der Schizophrenie zugeordnet werden müssen.

Weiterhin zählen zu dieser Gruppe hysterische, depressive und psychopathische Persönlichkeitsstrukturen. Als Psychopathen bezeichnet man abnorme Persönlichkeiten, die unter ihrer Abnormität leiden und unter deren Abnormität die Gesellschaft leidet.

Kennzeichen des Psychopathen ist weniger die bewusste Missachtung anderer – die eine Absicht voraussetzt -, sondern vielmehr das scheinbare Fehlen jeglichen Verständnisses dafür, dass man überhaupt an andere Menschen denken sollte. Symptome Veränderungen in der Einstellung oder dem Verhalten, mögen sie auch noch so überraschend sein, reichen im allgemeinen nicht für die Vermutung aus, dass jemand geisteskrank ist. Nur wenn diese Veränderungen so krass sind, dass der Betreffende nicht mehr für sich selbst sorgen und seine Angelegenheiten in den Griff bekommen kann, wenn er zu seinem eigenen Wohl und dem der Gesellschaft versorgt und überwacht werden muss, ist der Ausdruck „gemütskrank“ oder „geisteskrank“ zu rechtfertigen.

Die Symptome einer psychosomatischen Erkrankung sind leicht zu erkennen, da sie denen einer körperlichen Krankheit gleichen, die gewissermaßen nachgeahmt wird. Auch ein Hirnschaden ist meist relativ leicht zu diagnostizieren. Es liegen in diesem Fall auffällige Defekte im Denken und Erinnerungsvermögen sowie in Koordination und Bewegung vor.

Manchmal ist der Kranke anfallsweise bewusstlos. Schizophrenie ist nicht so einfach zu diagnostizieren. Im Gegensatz zur landläufigen Auffassung handelt es sich bei dieser Krankheit nicht um eine „Persönlichkeitsspaltung“ , sondern Schizophrenie ist durch Wahnvorstellung und Ängste, irrationale Ansichten und Emotionen gekennzeichnet, die sich in Beziehungslosigkeit und Gleichgültigkeit oder in unangemessener abrupter Zu- oder Abwendung äußern. Der Patient kann in einen Zustand von totaler Gleichgültigkeit (Apathie) verfallen, in dem er der Wirklichkeit total entrückt und mit seinen inneren Wahrnehmungen beschäftigt zu sein scheint.

Die Symptome von Depressionen bestehen in Veränderungen der Stimmungslage und des Auftriebs über Wochen und Monate hinweg. Das Leben erscheint schwer und traurig, der Depressive schläft nachts wenig, hat kaum Appetit, die Bewegungen sind langsam, das Denken zäh, Wahnideen und Ängste können deutlich werden.

Manische Phase

In manchen Fällen geht der depressive Zustand in die manische Phase über, die sich in Hochstimmung, impulsiven Handlungen und flüchtige Ideen äußert. In beiden Fällen ist das Bewusstsein nicht gestört. Auch die Symptome einer Neurose sind recht klar umrissen. Sie kann beispielsweise durch völlig unbegründete Angst vor einem bestimmten Objekt oder einer Tätigkeit gekennzeichnet sein. Der Patient kann sich zum Beispiel vor Katzen oder Hunden fürchten oder vor einer sexuellen Beziehung scheuen.

Zwänge und Obsessionen äußern sich in dem übertriebenen Bedürfnis, bestimmte Dinge zu sammeln oder immer wieder die gleichen Handlungen wie etwa Händewaschen auszuführen.

Die Symptome von Hysterie sind schwerer zu erkennen. Sie können von Gedächtnislücken, konfusem Umherwandern und sporadisch auftretender Anstrengung auf ganz unterschiedlichen Gebieten gekennzeichnet sein. Hysterie äußert sich aber auch durch andere Symptome wie beispielsweise Lähmungen oder Krampfanfälle.

Behandlung

Die Behandlung von Gemüts- oder Geisteskrankheiten beginnt fast immer im Sprechzimmer des Hausarztes. Hier können Störungen wie leichte Depressionen im allgemeinem oft schon durch ein vertrauliches Gespräch des Patienten mit seinem Arzt geklärt werden. Fühlt sich der praktische Arzt überfordert, wird er den Patienten an einen Facharzt für Psychiatrie und/oder Neurologie überweisen.

Die Behandlung in einer Klinik ist heute eher die Ausnahme als die Regel, weil der Patient so weit wie möglich in seiner normalen Umgebung bleiben soll. Ein Klinikaufenthalt wird allerdings erforderlich, wenn das Verhalten des Kranken anstößig oder gemeingefährlich ist.

Bei Neurosen werden Medikamente nur selten eingesetzt. Anfangs können Beruhigungsmittel verordnet werden, damit der Patient sich so weit beruhigt, dass er nicht mehr unter akuten Angstzuständen leidet. Dies hilft dem Kranken auf die Dauer jedoch nicht, denn die Medikamente ändern nichts an den Ursachen der Neurose.

Bei schweren Erkrankungen sind Psychopharmaka eher angezeigt, aber auch hier helfen die Medikamente nicht gegen die eigentlichen Ursachen, die der Krankheit zugrunde liegen. Positive Resultate lassen sich durch eine medikamentöse Behandlung erreichen, wenn depressive Verstimmungen oder Angstzustände so lange in Schach gehalten werden können, bis der Lebenswille des Patienten wieder so stark ist, dass er selbst aus seiner depressiven Phase herauskommen möchte.

Zwei radikale Behandlungsarten müssen in diesem Rahmen zumindest kurz angesprochen werden: Gehirnchirurgie und Elektroschocks. Gehirnchirurgie wird von wenigen Spezialisten grundsätzlich nur bei schweren chronischen Erkrankungen durchgeführt. Und auch dann nur nach langen Diskussionen mit Fachärzten, dem Patienten und seinen Angehörigen. Bei einer Behandlung durch Elektroschocks werden unter Narkose genau regulierte Stromstöße durch bestimmte Teile des Gehirns gelenkt. Elektroschocks wurden zeitweilig zur Behandlung von schweren Depressionen eingesetzt. Da die Besserungen nicht immer anhielten und die Auswirkungen nicht immer berechenbar oder vertretbar waren, wird in der modernen Psychiatrie auf diese Behandlungsform verzichtet.

Prognose

Im allgemeinen ist bei Neurosen und anderen, weniger schweren psychischen Störungen eine merkliche Besserung oder sogar vollständige Heilung möglich. Bei gravierenderen Befunden ist die Prognose eher unsicher, vor allem, wenn eine Gehirnschädigung vorliegt.

Oft muss man schon zufrieden sein, wenn eine Verschlimmerung des Zustandes verhindert werden kann. Die Tendenz geht in der modernen Psychiatrie dahin, nicht nur den psychisch gestörten oder geisteskranken Patienten selbst zu helfen, sondern auch an die Menschen zu denken, die mit ihnen leben und für sie sorgen.

Patienten und Angehörige leiden beispielsweise schwer, wenn sich die Krankheitserscheinungen nur vorübergehend eindämmen lassen. Es werden Hoffnungen geweckt, doch dann kehren zum Kummer aller Betroffenen die Schwierigkeiten wieder. Die daraus resultierende Ungeduld und Enttäuschung mag verständlich sein, kann sich aber auf den Patienten übertragen und ihm schaden.