Chlamydien

Chlamydien sind Mikroorganismen, die in mancher Hinsicht Bakterien ähneln. Sie rufen beim Menschen Erkrankungen an Lunge, Augen und Geschlechtsorganen hervor, können aber mit Antibiotika behandelt werden.

Seit 1907 wissen Mediziner um die Existenz von Chlamydien. Ihre Bedeutung als Krankheitserreger wurde jedoch erst Mitte der siebziger Jahre erkannt. Sie verursachen Trachom (Körnerkrankheit, ägyptische Augenkrankheit), Infektionen im Genitalbereich und eine Lungenkrankheit, die Ornithose (Psittakose, Papageienkrankheit) heißt.

Es hat sich herausgestellt, dass Infektionen mit Chlamydien möglicherweise verbreiteter sind als früher angenommen. Die Forschung im Hinblick darauf, wie Mikroben eine Krankheit auslösen und wie sie übertragen werden, erweist sich als schwierig, weil es in vielen Fällen unmöglich ist, Chlamydien im Labor nachzuweisen beziehungsweise auf leblosem Nährboden zu züchten. Die entsprechenden Verfahren werden jetzt jedoch verbessert; neben den lebenden Kulturnährböden (weiße Mäuse) kommen immer häufiger Zellkulturen zum Einsatz.

Viren oder Bakterien?

Früher wurden Chlamydien zu den Viren gerechnet, weil sie sich lediglich in lebenden Wirtszellen vermehren können. Heutzutage ist jedoch erwiesen, dass diese Mikroben eher den Bakterien zuzuordnen sind. Wie diese haben Chlamydien Zellhüllen, verfügen über einen eigenen Stoffwechsel und vermehren sich durch Zellteilung. Allerdings sind sie kleiner als die meisten Bakterien – so dass sie mit dem Lichtmikroskop gerade noch ausgemacht werden können – und vermehren sich, wie oben schon erwähnt, ausschließlich in lebenden Zellen.

Außerhalb solcher Wirtsorganismen existieren und überleben sie in einer Art Ruhezustand. Innerhalb eines Wirtsorganismus beginnt ihre Aktvierung. Sobald Chlamydien einmal mit bestimmten Körpergeweben in Berührung gekommen sind, werden sie als Fremdkörper „erkannt“ und von den Zellen des Wirtes „verschluckt“, die sie zu vernichten suchen. Dabei bildet sich um die aufgenommene Chlamydie ein Hohlraum, in dem sie sich zu teilen beginnt.

Die Teilungen setzen sich fort, bis die dabei entstehenden Chlamydienpartikel (Einschlußkörperehen) den Hohlraum ganz gefüllt und damit die Kontrolle über die inneren biochemischen Abläufe der Wirtszelle übernommen haben. Die Partikel können dann aus der Zelle ausbrechen und benachbarte Zellen infizieren. Dieser Vermehrungs- oder Reproduktionszyklus dauert ein bis zwei Tage.

Chlamydienarten

Wir wissen heute, dass Chlamydien in vielen warmblütigen Lebewesen vorhanden sind, darunter auch im Menschen. Nutztiere wie Rinder und Schafe, Haustiere sowie Säugetiere in freier Wildbahn und Vögel „beherbergen“ jeweils bestimmte Chlamydienarten, von denen die meisten für den Menschen vermutlich ungefährlich sind.

Bestimmte Typen von Chlamydien können jedoch bei Mensch und Tier auftreten. Es gibt fünf Typen dieser Mikroben, die insofern für die Humanmediziner interessant sind: Chlamydia psittaci befällt vor allem Vögel wie Papageien, Sittiche und Tauben und löst heim Menschen die Papageienkrankheit (Ornithose, Psittakose) aus. Chlamydia trachomatis ist für das Trachom (Körnerkrankheit, ägyptische Augenkrankheit) verantwortlich, Chlamydia oculogenitalis verursacht Infektionen an Augen und Genitalien, und Chlamydia lymphogranulomatis gilt als Erreger der sogenannten vierten Geschlechtskrankheit (Lymphogranuloma inguinale oder Lymphopathia venerea), die vor allem in den Tropen auftritt.

Chlamydieninfektionen

Das Trachom ist der gefährlichste Typ einer Chlamydieninfektion beim Menschen und führt oft zur Erblindung des Betroffenen. Die verursachenden Chlamydien werden in tropischen Regionen mit mangelhaftem Hygienestand durch Kontakt mit anderen Erkrankten oder durch Insekten übertragen. Die Infektion führt zunächst zu einer Rötung und Entzündung der Augenbindehaut. Dann kommt es zur Follikel-, daher Bläschenbildung. In einem weiteren Stadium beginnt die Bindehaut zu eitern. Wenn die Infektion im Laufe von Wochen oder Monaten immer stärker wird, kann eine Vernarbung der Hornhaut eintreten, die letztlich zu vollständiger Blindheit führt.

Chlamydien der Gruppe Chlamydia oculogenitalis können ähnliche, aber leichter verlaufende Augeninfektionen hervorrufen. Im allgemeinen verursachen sie jedoch genitale Infektionen, die sich dann durch Berührung auf die Augen ausbreiten können. Neugeborene Kinder von Müttern, die eine Chlamydieninfektion des Genitalbereichs haben, erkranken vielfach in den ersten zwei bis drei Lebenswochen an einer Chlamydien-Bindehautentzündung.

Genitalinfektionen

Infektionen der Genitalien durch Chlamydia oculogenitalis können auch bei Männern auftreten. Bei Männern werden diese Chlamydien auch für Harnröhrenentzündungen verantwortlich gemacht, doch streiten die Mediziner noch über diesen Sachverhalt.

Sowohl Männer als auch Frauen können Träger dieses Chlamydientyps sein, ohne irgendwelche Symptome aufzuweisen, übertragen den Erreger jedoch auf ihre Geschlechtspartner.

Bei der „vierten Geschlechtskrankheit“ (Lymphogranuloma inguinale), hervorgerufen durch Chlamydia lymphogranulomatis, handelt es sich um eine sehr schwere Infektion der Geschlechtsorgane, die gehäuft in tropischen Ländern auftritt. Sie ruft eine chronische Entzündung der Lymphknoten in der Leistengegend hervor. Die Infektion erfolgt durch Geschlechtsverkehr. Die geschwollenen Lymphknoten sind sehr schmerzhaft, beginnen zu eitern und zerfallen schließlich.

Die Papageienkrankheit (Psittakose, Ornithose) ist eine von Chlamydia psittaci hervorgerufene Infektionskrankheit beim Menschen. Diese Chlamydien finden sich in über hundert Vogelarten. Die von dem Erreger befallenen Vögel können selbst durchaus gesund und trotzdem ansteckend sein. Es kommt jedoch auch vor, dass die Tiere selbst erkranken.

Infizierte Vögel scheiden den Erreger mit dem Kot aus. Nach dem Eintrocknen kann er dann mit eingeatmetem Staub in die Lunge gelangen und dort eine Infektion verursachen. Der Patient fühlt sich allgemein schlecht, hat hartnäckigen Husten und oft auch Fieber. Er zeigt alle Symptome einer Lungenentzündung.

Ansteckungsverlauf

Chlamydien sind offenbar nicht so leicht übertragbar wie andere Krankheitserreger; enger oder wiederholter Kontakt mit einem Infizierten (beispielsweise Geschlechtsverkehr) ist offenbar erforderlich, bevor die Erreger in den Körper gelangen. Sie können nur über feuchte Gewebe eindringen, die nicht durch Haut geschützt sind und sich beispielsweise an den Augen (Bindehaut) oder den Geschlechtsorganen befinden. Sie können aber auch wie bei der Papageienkrankheit in die Lunge gelangen.

Wenn sich Chlamydien einmal in Zellen eingenistet haben, lösen sie eine lokale Abwehrreaktion des Körpers aus. Diese führt dann zu einer chronischen Entzündung des infizierten Bereichs: der Augenbindehaut, der Geschlechtsorgane oder der Lunge.

Chlamydieninfektionen sind fast immer langwierig, führen aber selten zum Tod. Hat eine Infektion erst einmal begonnen, kann sie Wochen, Monate oder sogar Jahre anhalten. So wie der Körper Antikörper gegen andere Erreger bildet, produziert er auch welche gegen die eingedrungenen Chlamydien. Aber ihre Wirksamkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Ist der Infizierte, der beispielsweise an Trachom oder einer Genitalinfektion leidet, zugleich unterernährt, verläuft die Infektion in der Regel schwerer. Wiederholte oder mehrfache Infektion kann ebenfalls zu einer ernsteren Form der Erkrankung führen. Mediziner nehmen an, dass weltweit etwa 500 Millionen Menschen an Trachom leiden und etwa fünf bis zehn Millionen durch die Körnerkrankheit erblindet sind. Sie ist die häufigste Ursache für den Verlust des Augenlichts.

Schätzungen hinsichtlich der Genitalinfektionen sind schwieriger, weil eine verlässliche Diagnose erst seit einigen Jahren möglich ist. Es liegt jedoch auf der Hand, dass das Risiko einer solchen Infektion mit der Zahl wechselnder Geschlechtspartner steigt.

Diagnose

Eines der ältesten Untersuchungsverfahren besteht in einem Abstrich von dem infizierten Bereich. Das Zellmaterial wird unter dem Mikroskop untersucht. Sind die Zellen befallen, lassen sich die typischen Chlamydienpartikel in ihrem Innern ohne weiteres erkennen. Nach diesem Verfahren kann man jedoch nur Proben von Personen untersuchen, bei denen Verdacht auf Trachom besteht. Bei allen anderen Chlamydieninfektionen ist diese direkte Form der Untersuchung nicht sehr zuverlässig. Deshalb werden heutzutage die Proben an spezielle Labors eingesandt. Dort behandelt man sie mit bestimmten Reagenzien, die Chlamydien unter dem Mikroskop fluoreszieren (auf leuchten) lassen.

Manche Labors sind in der Lage, Chlamydien in Zellen zu kultivieren, die künstlich in Reagenzgläsern gezüchtet wurden. Aber diese Nachweismethode ist noch unzuverlässig.

Die Papageienkrankheit kann gelegentlich anhand einer Röntgenaufnahme der Lunge diagnostiziert werden; es wird jedoch auch eine Blutuntersuchung zum Nachweis von Antikörpern gegen Chlamydia psittaci durchgeführt.

Chlamydien reagieren auf bestimmte Antibiotika, vor allem Tetrazyklin und Erythromycin. Diese können bei Augeninfektionen örtlich als Tropfen oder Salbe aufgebracht werden, sind aber durchweg wirksamer, wenn man sie in Tablettenform einnimmt. Je nach befallenem Bereich wird das Antibiotikum für zwei bis fünf Wochen verordnet. Wenn das Trachom bereits zur Erblindung geführt hat, lässt sich das Sehvermögen nicht mehr durch Antibiotika wiederherstellen. Die einzige noch mögliche Behandlungsmöglichkeit besteht in einer Hornhauttransplantation.

Vorbeugung

Versuchsweise wurden schon mehrere Impfstoffe gegen Trachom entwickelt. Bis jetzt ist jedoch keiner gefunden worden, dessen Wirkung über einen sehr kurzen Zeitraum hinaus angehalten hätte.

Mehr Hygiene und bessere Wohnverhältnisse sind deshalb in Regionen, wo Trachom gehäuft auftritt, die einzige Möglichkeit der Vorbeugung. Das Risiko einer genitalen Infektion lässt sich dadurch verringern, dass man Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern vermeidet. Die Verwendung von Kondomen verringert das Ansteckungsrisiko insbesondere für nichtspezifischen Harnröhrenkatarrh und die vierte Geschlechtskrankheit.