Ein zentraler Aspekt ist weiterhin, ob die Kinder über die eigene Homosexualität aufgeklärt werden sollten.
Einige homosexuelle Väter befürchten negative Reaktionen der Kinder ihnen gegenüber, zum Beispiel Ablehnung oder eine Verschlechterung des Kontaktes. Darüber hinaus sorgen sich viele homosexuelle Väter um mögliche Folgen für die Kinder wie Diskriminationserfahrungen in der Schule und im Freundeskreis.
Ob mit den Kindern über die Homosexualität des Vaters gesprochen werden sollte, kannnicht allgemein beantwortet werden. Ein entscheidender Aspekt scheint die Vater-Kind-Beziehung zu sein und die individuelle Einschätzung der aktuellen Befindlichkeit der Kinder. Bei der Bewältigung der Homosexualität scheint das Alter der Kinder eine wichtige Rolle zu spielen. Jüngere Kinder von 9-12 Jahren und junge Erwachsene scheinen die Homosexualität des Vaters besser verarbeiten zu können als Kinder in der Pubertät. Von großer Bedeutung ist auch die eigene Einstellung gegenüber der Homosexualität. Es ist problematisch, wenn in der Homosexualität selber keine positiven Aspekte gesehen werden, sondern nur Probleme und Schwierigkeiten. Das belastet den Umgang mit dem Thema, weil negative Assoziationen geweckt werden. Die eigenen Vorurteile und Haltungen übertragen sich dann entsprechend auf die Kinder.
Letztlich gibt es keine Verpflichtung, mit den Kindern über die Homosexualität zu sprechen. Häufig wird jedoch zu einem möglichst frühzeitigen offenen Gespräch über Sexualität im Allgemeinen und über die eigene Homosexualität geraten.
So kann es bei einem erregten Streit zu einem „Spontan-Coming-out“ kommen, wobei ein ruhiges, sorgfältig geplantes Gespräch zu einem günstigen Zeitpunkt pädagogisch sinnvoller erscheint. Ein Verstecken von eigenen Persönlichkeitsanteilen kann außerdem als Widerspruch zu einer offenen Familienatmosphäre gesehen. Ein Verheimlichen gegenüber den Kindern kann zudem das eigene Wohlbefinden der Väter beeinträchtigen. Sie müssen permanent aufpassen, was sie ihren Kindern erzählen, ob und wie sie andere homosexuelle Freunde vorstellen und eindeutige homoerotische Bilder oder Zeitschriften verstecken. Ein größtmöglich offener und Selbstverständlicher Umgang mit der eigenen Homosexualität wirkt sich auf die eigene Zufriedenheit aus, die sich auch auf die Kinder überträgt. Wichtig ist außerdem ein gut funktionierender hetero- und homosexueller Freundeskreis der Väter. Dadurch können Kinder stabile Vorbilder zur eigenen Orientierung kennen lernen.
Die Reaktion der Kinder
Die Reaktionen der Kinder auf ein Coming-out des Vaters können ganz unterschiedlich sein. Häufig reagieren die Kinder positiv (Mädchen eher als Jungen) und fühlen sich durch die Aufrichtigkeit des Vaters stärker mit ihm verbunden. Einige Kinder äußern sich vorerst nicht zu dem Thema und ihren eigenen Gefühlen. Sie wünschen erst einmal keine weiteren Informationen. Hierbei sollte bedacht werden, dass die Kinder genauso wie einst die Väter Zeit brauchen, um die neue Situation zu begreifen und zu verarbeiten. Kommt es zu negativen oder aggressiven Reaktionen, müssen diese nicht direkt mit der Homosexualität des Vaters zusammenhängen. Es kann sich dabei um Auswirkungen der vielleicht erst kürzlich erfolgten Trennung der Eltern handeln. Meistens reagieren Kinder positiv auf ein Coming-out des Vaters. In 71% der Fälle kam es zu keiner sichtbaren Reaktion, der Rest reagierte tolerant und verständnisvoll (29%). Negative Reaktionen wurden nicht berichtet. Auf die Vater-Kind-Beziehung hatte es in den meisten Fällen (76%) keinen Einfluss. In 12% wurde die Beziehung dadurch intensiviert, jedoch in 6% auch geschwächt. Einschränkend ist hierbei die sehr kleine Fallzahl zu bedenken (N=17).
Nicht nur einige Eltern, sondern auch manche Kinder befürchten negative Reaktionen im weiteren Umfeld. Es sollte bedacht werden, dass bei Kindern in einer ungewöhnlichen Familiensituation grundsätzlich die Möglichkeit einer Stigmatisierung oder Diskriminierung besteht.
Dies ist zum Beispiel auch bei Kindern mit geistig behinderten Geschwistern oder bei farbigen Kindern der Fall. Homosexualität ist trotz zunehmender Toleranz gesellschaftlich immer noch nicht voll akzeptiert. Es kann vorkommen, dass Kinder homosexueller Eltern häufiger geärgert werden als andere Mitschüler. Einige Schulfreunde können sich abwenden, auch auf einen möglichen Druck ihrer Eltern hin. Um dieser Gefahr zu entgehen, haben viele Kinder aus homosexuellen Familien ein Vermeidungsverhalten entwickelt. Sie überlegen sich genau, wem sie von der Homosexualität erzählen. Viele Kinder sprechen nicht über die Homosexualität des Vaters, sondern verschweigen sie lieber. Manche Kinder bevorzugen deshalb auch einen Besuch bei den anderen Kindern und vermeiden, dass diese mit zu ihnen nach Hause kommen. Schulfreunde könnten die Homosexualität des Vaters durch homoerotische Bilder oder Zeitschriften bemerken. Häufig befürchten die Kinder zusätzlich, dass andere sie auch für homosexuell halten und damit ärgern würden. Hier gilt es entsprechend aufzuklären, dass die Wahrscheinlichkeit einer homosexuellen Identität der Kinder genauso hoch ist, wie bei heterosexuellen Eltern. Reale Ausgrenzungen erleben nur sehr wenige Kinder. Häufig ist es lediglich die Befürchtung einer negativen Reaktion. Dabei stehen die Kinder im Konflikt, sich selbst schützen zu wollen und zu schweigen und andererseits sich für die homosexuellen Eltern einzusetzen und sich ihnen gegenüber loyal zu verhalten.
Die Eltern sollten in erster Linie Geduld und Verständnis aufbringen. Sie sollten als Ansprechpartner mit Aufmerksamkeit und Unterstützung für die Kinder zur Verfügung stehen. Es ist sinnvoll, die Kinder auf mögliche ablehnende Reaktionen im Umfeld hinzuweisen und durch Informationen und zum Beispiel Rollenspiele vorzubereiten. Die Kinder wünschen sich mehr Mut und Aufklärung seitens der Eltern und Lehrer. Sie sind nicht daran interessiert, anderen Menschen ständig Homosexualität erklären zu müssen.
Sehr wichtig sind Kontakte zu anderen Kindern aus homosexuellen Familien, zum Beispiel in Form von Selbsthilfegruppen. Dadurch wird der Austausch untereinander und ein stärkeres „Wir-Gefühl“ gefördert.
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