Die Gewohnheiten, die mit digitaler Mediennutzung einhergehen, haben großen Einfluss auf unser Gehirn, wie die New York Times berichtet. Nicht nur Kinder, die mit Tablet-Computern und Smartphones aufwachsen, versuchen gelegentlich, analoge Zeitungen aus Papier mit einem Fingerwisch umzublättern. Durch die Macht der Gewohnheit sind auch erwachsene Hirne, die den Umgang mit Medien aus toten Bäumen noch gelernt haben, nicht vor solchen Kurzschlüssen gefeit. US-Wissenschaftler führen solche Verwirrungen auf die auf Effizienz getrimmten Denkorgane der Menschen zurück.
Gewohnheit obsiegt
Die direkte Manipulation durch Touchscreens ist viel natürlicher als der Umweg über die Maus. Die Menschen erwarten sich von Technologie schon natürliche Bedienung, deshalb versuchen sie etwa beim Auto-Navigationsgerät als erstes, ob sie es mit den Fingern bedienen können. Wenn sich solche Bedienkonzepte als Muster ins Gehirn eingebrannt haben, ist auch der Versuch, Papier mit den Fingern zu ‚bedienen‘ verständlich.
Das sehen Hirnforscher ähnlich: „Gehirne lieben Gewohnheiten. Sie sind auf Effizienz ausgelegt. Unsere Hirne sind gemacht, um zwei Dinge in Raum und Zeit in Verbindung zu setzen und sich an diese Verknüpfung zu erinnern. Das wird dann automatisch umgesetzt, etwa wenn Menschen versuchen, eine Papier-Zeitung wie einen Touchscreen zu scrollen“, sagt Clifford Nass von der Stanford University. Dasselbe Prinzip gilt auch für andere technologische Neuerungen.
Langsame Anpassung
Laut Wissenschaftlern der University of California dauert es unabhängig vom Alter lediglich sieben Tage, bis ein menschliches Gehirn sich an neue Technologien anpasst. Dadurch, dass viele Menschen ihren Medienkonsum mittlerweile fast vollständig in die digitale Sphäre verlagert haben, steigt die Erwartung ihrer Gehirne, Informationsquellen in gewohnter Art zu handhaben. Deshalb versuchen Menschen, Geldautomaten wie einen Touchscreen zu behandeln, obwohl die meisten Geräte nicht darauf ausgelegt sind. Andere Neuerungen, etwa kontaktloses Bezahlen, werden ähnliche Erwartungshaltungen in den Menschen wecken. Die Wirtschaft wird sich auf diese Änderungen einstellen müssen.
Der Trend wird – vielleicht mit Ausnahme des Desktop-PCs – weiter in Richtung Touch-Bedienbarkeit gehen. Für die Industrie ist das sogar ein Vorteil, weil etwa Touch-Interfaces für Geldautomaten einfacher zu programmieren sind. Allerdings geschieht die Umstellung langsam und in Schritten, weil die Kosten relativ hoch sind. Die Ticketautomaten der ÖBB unterstützen etwa die Eingabe mit den Fingern, die fehlende Multi-Touch-Funktionalität führt aber öfter zu Verwirrung, weil die Nutzer an die Bedienung von Tablets und Smartphones gewöhnt sind.
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