Die Soziologin Erynn Masi de Casanova hat auf der Jahrestagung der American Anthropological Association in San Francisco die Frage aufgeworfen, ob das Phänomen „Metrosexualität“ zur Normalität geworden ist. Die Sozialwissenschaftlerin wollte wissen, ob metrosexuell schon so normal ist, dass man es gar nicht mehr wahrnimmt oder ob es nur eine vorübergehende Erscheinung war. De Casanova hat Männer in New York, San Francisco und Cincinnati befragt. „Mich interessierte, ob Männer wirklich über die Begrifflichkeit ‚metrosexuell‘ nachdenken“, begründet de Casanova ihr Forschungsprojekt.
Gut gekleidet und gepflegt
Metrosexualität bezeichnet keine Sexualpräferenz, sondern einen Lebensstil heterosexueller Männer. Der Begriff wurde erstmals 1994 vom britischen Journalisten Mark Simpson benannt. Metrosexuelle Männer lassen vermeintlich weibliche Seite ihrer Persönlichkeit zu. So achten sie etwa verstärkt auf Hygiene und Körperpflege. Die Soziologin konnte in den drei US-Metropolen feststellen, dass die Männer sich im Allgemeinen sehr für ein gepflegtes Aussehen interessieren. Die Forscherin fand heraus, dass die Menschen sehr widersprüchliche Meinungen darüber haben, was metrosexuell überhaupt bedeutet. Die meisten Männer bezogen sich aber auf den ästhetischen Aspekt des Stereotyps: Männer, die gut gekleidet und gepflegt sind.
„Ich glaube tatsächlich, dass es ein ‚Modephänomen‘ war, inspiriert sicherlich durch David Beckham“, sagt Jürgen Budde, Autor des Buches „Genderkompetenz. Sicherlich finden sich auch aktuell noch Tradierungen in kulturellen Submilieus, aber von einer Normalität könne man nicht sprechen, meint Budde. „Die Frage ist ja auch, was eigentlich, im Angesicht pluralisierter Geschlechter- und Männlichkeitskonzeptionen, Normalität ist. In bestimmten Kontexten finden Sie vermutlich häufiger ‚Metrosexuelle‘ – also Männer, die ohne Statusverlust feminisierte Verhaltensweisen oder Inszenierungen an den Tag legen“, sagt er. Diese Kontexte sind die Großstadt und besser gestellte Milieus.
Emos: Mut zu femininen Seiten
Man könne die Emo-Bewegung – eine Jugendbewegung, die sich Emo nennt in Anlehnung an Emotional – in dieser Tradition sehen. „Ich vermute, dass dies vor allem sozial besser gestellte Milieus sind, in denen sich die Jungen und jungen Männer dies eher leisten können, weil ihre Männlichkeitsperformanz weniger auf traditioneller maskulierer Körperlichkeit basiert und die Ausstaffierung mit weiblichen Inszenierungsweisen sogar als mutig, cool und so weiter gelesen werden kann“, sagt Budde. In anderen Kontexten – etwa im ärmlichem Milieu auf dem Land – werde Metrosexualität vermutlich wenige Anhänger finden. Weibliche Attribute könnten hier riskant sein, wegen einer Feindlichkeit gegenüber Homosexuellen, meint Budde
Die Idee der Androgynität – der Geschlechtlosigkeit – selbst sei schon eine ältere. „Der Unterschied ist meines Erachtens, dass es – anders als bei Androgynität – ja nicht um die ‚Angleichung‘ beider Geschlechter geht, sondern um eine Ausweitung der männlichen Inszenierungsweise unter Beibehaltung männlicher Codes – wie Beckham als weißer, reicher, sportlicher, heteroseuxueller Mann“, sagt Budde.
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