WM-Kampagne – Einsatz für die Schwulen von Paddy Power und der Attitude Foundation

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Abbildung 1: so schön St. Petersburg sein mag - in Sachen Vorgehen gehen Schwule und Lesben hat die Stadt ein sehr rigides Gesetz.

Die Fußball-WM ist ein Ereignis, bei dem es zwar maßgeblich um den Sport auf dem Rasen geht, doch rund um die Stadien und in den einzelnen Nationen gibt es unglaublich viele Nebenschauplätze. TV-Sender versuchen den Zuschauern, das Land ein Stück vorzustellen, einige Reportagen gehen sogar hinter einige Kulissen und sprechen Themen an, die abseits der typischen Berichterstattung liegen. Ein Thema kann bei dieser WM eigentlich gar nicht präsent genug sein: Homosexualität im und rund um den Fußball. Der Buchmacher Paddy Power dachte sich das ebenfalls und startete mit der Londoner Zeitschrift Attitude das Bündnis »From Russia with Equal Love«: Für jedes Tor der russischen Nationalelf gehen 1.000 Pfund in eine Kampagne, die sich für LGBT-Personen im Leistungssport starkmacht. Warum diese Aktion notwendig ist und was Russland damit zu tun hat, zeigt dieser Artikel.

Warum ist so eine Aktion nötig?
Die LGBT-Community steht noch immer vor vielen der Schwierigkeiten, die in der heutigen, aufgeklärten Zeit längst der Vergangenheit angehören sollten. Während in vielen Berufen das Sprichwort gilt, dass das Privatleben der einzelnen Angestellten niemanden etwas anginge, sieht es im Leistungssport ganz anders aus. Gerade im Fußball hat sich bislang noch kein Spieler während der aktiven Karriere gewagt, sein Liebesleben und seine Homosexualität der Öffentlichkeit gegenüber preiszugeben. Die Spieler, die sich nach dem Ausscheiden aus dem Profifußball geoutet haben, wurden zwar von der Presse gelobt und unterstützt, geändert hat sich aber nichts.

Und auch die so hochgehaltene Toleranz zwischen den Fans oder von den Fans gegenüber der Spieler ist mitnichten so stark, dass das Verhalten der Spieler kritisiert werden kann. Denn in den Kurven der Vereine schallt fast bei jedem Spiel die ein oder andere Beleidigung, die deutlich auf LGBT-Personen abzielt. Wie soll sich da ein Spieler outen, wenn er befürchten muss, innerhalb des Clubs und von den Rängen angegangen zu werden?
Die Aktion von Paddy Power und der Zeitschrift Attitude ist sinnvoll und schafft die Aufmerksamkeit, die Homosexuelle im und rund um den sogenannten Männersport benötigen. Die eingenommenen Spendengelder werden in die Aufklärung über die Homosexualität, Sexualität und in Outing-Hilfen gesteckt, damit angehende und bestehende Profispieler es leichter haben, ihre Sexualität mit dem Sport zu vereinen.

Warum gerade in Russland?
Homosexuelle haben ganzjährig mit Anfeindungen, Ausgrenzungen oder Vorurteilen zu kämpfen. Warum also wird diese Aktion gerade bei der WM gestartet? Zum einen hat das natürlich mit der medialen Präsenz zu tun, zum anderen aber auch, dass Schwule es gerade in Russland nicht leicht haben. LGBT-Personen werden zwar nicht politisch verfolgt, dennoch kommt es selbst in den Metropolen immer wieder vor, dass Homosexuelle bedroht oder angegriffen werden. St. Petersburg – einer der Spielorte der WM – geht sogar noch einen Schritt weiter. Hier gilt ein Gesetz, welches die Aufklärung über Homosexualität als sogenannte »Schwulenpropaganda« unter Strafe stellt. Wer gegen das Gesetz verstößt, muss mit Geldstrafen in einer Höhe rechnen, die einem jährlichen russischen Durchschnittseinkommen gleichkommen.

Und wieso? In vielen Gebieten und gerade in der Hooliganszene Russlands gilt die Maßgabe, dass Männer stark, kräftig und echte Krieger zu sein haben. Der Präsident macht es den Anhängern regelmäßig vor und lässt sich in eben solchen Posen abbilden. Die russische Nationalmannschaft gibt dieses Bild wieder und dient den Fans nun also das mediale, perfekte Männerbild. Es macht also großen Sinn, die gesamte Aktion mit der russischen Nationalmannschaft zu verbinden und für jedes Tor der Russen Geld als Spende einzuzahlen. Sollen die Idole der oft homophoben Fans Tore schießen, damit die LGBT-Community etwas für das Wohl ihrer Mitglieder machen kann. Bislang geht der Plan übrigens auf. Russland ist im Viertelfinale, inklusive der Tore aus dem Elfmeterschießen gab es 12 Spenden – man sollte die Daumen drücken, dass das Viertelfinalspiel torreich ist.

Die mediale Präsenz hat natürlich auch einen Vorteil für LGBT-Fans, die ihre Mannschaften gerade in Russland anfeuern. Denn sind Gleichgesinnte vor Ort, fühlt man sich inmitten der Fremde direkt wohler.

Welche Auswirkungen könnte das Ganze haben?
Im besten Fall wird diese Aktion nicht direkt nach der WM vergessen, sondern bleibt in der Öffentlichkeit. Vielleicht möchten sich auch andere Länder anschließen oder Wettanbieter in anderen Ländern übernehmen die Inhalte und spenden ihrerseits für Homosexuelle im Profifußball. Die mediale Aufmerksamkeit muss bestehen bleiben, damit aktuelle Fußballspieler endlich die Chance haben, ihren Karrieretraum zu leben, ohne ihr Privatleben verheimlichen zu müssen. Denn genau hier liegt das große Problem.

So wenige Spieler outen sich nach der Karriere und, wenn die Statistik mitberücksichtigt wird, trauen sich schon Ex-Spieler nicht, sich zu outen. Unter dieser Verschwiegenheit leiden natürlich die aktuellen Profis in allen Ländern und der Nachwuchs wird einem völlig unnötigen Druck ausgesetzt. Immerhin weiß heute schon ein Jugendspieler, dass er seinen Teamkollegen besser nicht sagt, welcher Sexualität er angehört. Die Tragik ist, dass das Problem eventuell gar nicht tatsächlich im Jugend- und Nachwuchsbereich besteht, sondern von oben so vorgelebt wird. Was die Profis nicht machen, das macht der Nachwuchs ebenfalls nicht.

Im besten Fall kann durch diese Aktion erreicht werden, dass Leistungssportler ganz offen zu ihrer Sexualität stehen können, ohne damit rechnen zu müssen, von Mitspielern, Verantwortlichen oder auch Trainern diskriminiert zu werden. An dieser Stelle muss jedoch auch an den Fans gearbeitet werden. Denn obgleich es durchaus völlig tolerante Vereinsfans gibt, so gibt es auch Fanszenen, in denen LGBT-Mitglieder lieber nicht offen aussprechen, welcher Sexualität sie angehören. Es mag nicht unbedingt körperliche Auseinandersetzungen geben, doch gibt es wohl keine Fankurve im Land, aus der nicht regelmäßig eine Beleidigung mit homosexuellem Bezug kommt.

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Abbildung 2: Wann wird auch die Fußballwelt so tolerant sein, dass es hier keine Schwierigkeiten mehr gibt?

Fazit – wie viele Tore werden es noch?
Mit den Kroaten haben die Russen am Samstag einen schwierigen Gegner, doch sind sicher ein paar russische Tore für den guten Zweck möglich. Ansonsten sollten die Daumen gedrückt werden, damit sich im Leistungssport in naher Zukunft endlich etwas ändert und alle Beteiligten endlich verstehen, dass die Leistung zählt, nicht die Sexualität.

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