Die meisten psychischen Krankheiten sind komplex, und es gibt für sie keine Wunderheilmittel. Psychiater und Psychotherapeuten können aber in den meisten Fällen eine Erfolg versprechende Maßnahme vorschlagen.
Welche Behandlung bei psychischen Krankheiten in Frage kommt, hängt weitgehend von der Art der Krankheit, dem Alter und der Persönlichkeit des Patienten ab. Eine Therapie kann zur Heilung führen oder dem Kranken zumindest helfen, mit seinem Problem zu leben. Neben medikamentösen Behandlungsformen gibt es viele Psychotherapieverfahren, bei denen der Patient eine aktive Rolle einnimmt. Jeder Mensch reagiert anders, deshalb muss der Arzt oder Therapeut manchmal verschiedene Methoden anwenden, um herauszufinden, welche den größten Erfolg verspricht. Oder er schlägt eine Kombination mehrerer therapeutischer Maßnahmen vor, um die verschiedenen Aspekte eines Problems in Kooperation mit dem Patienten zu lösen. Viele Menschen mit psychischen Problemen können von ihrem Hausarzt behandelt werden. Meistens handelt es sich um psychosomatische (seelisch-körperliche) Erkrankungen und psychische Konflikte und Krisen, deren Ursache aufgedeckt und nicht selten durch eine Korrektur der Lebensweise geheilt werden können. Viele Allgemeinmediziner und praktische Ärzte verfügen heute über Kenntnisse, um psychologische Ursachenmechanismen zu erkennen und gegebenenfalls zu behandeln. Bei schweren psychischen Erkrankungen wird der Hausarzt aber nur eine unterstützende Rolle, zum Beispiel im Rahmen einer fachärztlichen Behandlung, einnehmen. Sehr schwere psychische Erkrankungen müssen in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden. Bei einer Besserung wird der Psychiater in den meisten Fällen eine ambulante Behandlung in einem Krankenhaus vorschlagen. Manchmal übernimmt der Hausarzt die weitere Behandlung. Es gilt heute als wünschenswert, dass der psychisch Kranke während der Behandlung ein möglichst normales Leben in seiner gewohnten Umgebung führt. Den Patienten, die zwar zu Hause wohnen können, aber ständige Betreuung brauchen, wird möglicherweise eine Behandlung in einer Tagesklinik empfohlen.
Medikamentöse Behandlung
Seit den 50er Jahren wurde eine Reihe wirksamer neuer Medikamente entdeckt. Heute kann man die Symptome von schweren psychischen Störungen oder Geisteskrankheiten oft medikamentös unter Kontrolle halten. So brauchen Menschen, die an Schizophrenie, einer manisch-depressiven Erkrankung oder schweren Depressionen leiden, heute oft nicht mehr allzu lange Zeit in einer Klinik behandelt zu werden, sondern können in ihrer gewohnten Umgebung leben, vorausgesetzt, es sind ausreichende Betreuungsmöglichkeiten gegeben und die Krankheit kann auf eine Medikation eingestellt werden. Es dauert oft eine ganze Weile, bis die Medikamente eine ausreichende Konzentration im Körper erreicht haben (Plasmaspiegel), und deshalb können Wochen vergehen, bis der Patient eine Wirkung bei sich feststellt. Patienten, die Medikamente gegen psychische Krankheiten einnehmen, sollten auf keinen Fall die Dosierung ändern oder die Mittel absetzen, ohne vorher den Arzt darüber zu informieren. Oft müssen die Medikamente noch eine Zeitlang weiter eingenommen werden, wenn sich die Patienten besser fühlen, um einem Rückfall vorzubeugen. Die Medikamente werden dann unter Anleitung des Arztes allmählich abgesetzt, weil sonst unangenehme Entzugserscheinungen auftreten können.
Analytisch orientierte Verfahren
Eine sehr häufig angewandte Methode ist die analytisch orientierte Psychotherapie, die sich auf die klassische Psychoanalyse stützt. Bei dieser Therapieform wird die Aufdeckung der unbewussten Konflikte angestrebt. Häufig wird diese Methode bei psychosomatischen Erkrankungen angewendet, da hier die der Krankheit zugrunde liegenden Konflikte meistens unbewusst sind. Die Konflikte werden aufgedeckt, indem aus dem Verhalten, den Gedanken und Trauminhalten des Klienten unbewusste Konflikte erschlossen und durch Interpretationen bewusst gemacht werden. Auch die Gestalttherapie stützt sich auf die analytische Theorie. Während in der Psychoanalyse der Patient über Verhaltensweisen und Trauminhalte nachdenkt, wird hier die Therapie immer wieder auf die gegenwärtige Situation zurückgeführt. Durch das ständige Hinführen auf das „Hier und Jetzt“ will diese Therapie die Persönlichkeit in ihrer wahren Gestalt wiederherstellen und die Wahrnehmung seines Selbst fördern. Die psychoanalytischen Verfahren erstrecken sich in vielen Fällen über einen langen Zeitraum. Das ist auch ein wesentlicher Kritikpunkt der Verfechter der Verhaltenstherapie.
Verhaltenstherapie
Viele Menschen haben eine falsche Vorstellung von der Verhaltenstherapie. Die Verhaltenstherapie ist eine vernünftige, praktische Methode, deren Erfolg von der Mitarbeit und Motivation des Patienten abhängt. Im Mittelpunkt stehen das gegenwärtige Leben des Patienten und die Probleme, die ihm zu schaffen machen. Die Therapie zielt darauf ab, den Menschen bei der Suche nach alternativen Verhaltensweisen zu helfen, mit denen sie ihre Lebensaufgabe besser bewältigen können. Diese Methode hat sich bei Phobien, Zwangshandlungen und sexuellen Schwierigkeiten bewährt. Die Verhaltenstherapie ist keine langwierige Behandlungsmethode, und es lässt sich meist schon in einem frühen Stadium absehen, ob sie Erfolg haben wird oder nicht. Im allgemeinen geht der Patient anfangs ein- oder zweimal wöchentlich zum Therapeuten, und später werden dann die Abstände zwischen den Behandlungen vergrößert, in dem Maße, in dem sich das Selbstvertrauen des Patienten festigt. In der ersten Stunde wird der Therapeut den Patienten wahrscheinlich bitten, sein Verhalten vor, während und nach einem seiner angstvollen Erlebnisse in allen Einzelheiten zu beschreiben. Außerdem wird er ihn vielleicht auffordern, ein Tagebuch zu führen und die Intensität seiner Angstzustände während des ganzen Tages anhand einer Skala von eins bis zehn zu bewerten. So lassen sich oft die „Auslöser“ für die Angsterlebnisse ermitteln und die Strategien analysieren, die der Patient anwendet, um mit seiner Angst fertig zu werden.
Bekämpfung der Angst
Die Behandlung kann zum Beispiel darin bestehen, dass der Patient mit dem Therapeuten bespricht, welche alltäglichen Handlungen er ausführen soll, die ihm normalerweise große Angst bereiten. Mit der Unterstützung des Therapeuten und auch der Hilfe von Familie und Freunden wird eine verhaltenstherapeutische Technik eingeübt. Eine dieser Techniken, die sogenannte Desensibilisierung, bewährt sich besonders bei bestimmten Phobien. Der Patient lernt zunächst, sich zu entspannen, und wird dann gebeten, eine Liste der Dinge oder Situationen aufzustellen, vor denen er sich am meisten fürchtet. In möglichst entspanntem Zustand wird er – in der Vorstellung oder in Wirklichkeit – mit der am wenigsten bedrohlichen Situation auf seiner Liste konfrontiert. Sobald er diese Situation ertragen kann, kommt der zweite Punkt seiner Liste an die Reihe und so weiter, bis er seine Ängste überwunden hat. Ein Gespräch mit einem verständnisvollen Freund kann eine große Erleichterung für Menschen sein, die sich in psychischer Bedrängnis befinden. Oft reicht das aber nicht aus. Diese Menschen brauchen vielmehr einen Therapeuten, der darin geschult ist, sich die Probleme anderer anzuhören, und nicht aus der Fassung gerät, wenn die Betroffenen starke Gefühle äußern. Manchmal reichen schon wenige Gespräche mit einem praktischen Arzt, einem Psychiater oder einem Mitarbeiter eines telefonischen Beratungsdienstes aus, um die Dinge wieder in die richtige Perspektive zu rücken. In anderen Fällen wird eine persönliche Beratung, eine Psychotherapie oder eine Gruppentherapie der richtige Weg sein. Alle diesen Therapien geben den Menschen Gelegenheit, sich eingehender mit ihren Problemen zu befassen und zumindest einige Gründe für ihre Gefühle und ihr Verhalten zu erkennen. Für schwere psychische Krankheitsbilder sind diese Therapieformen zunächst nicht zu empfehlen, weil sie die Betroffenen nur noch mehr in Verwirrung stürzen würden. In solchen Fällen ist Zuhören und Beruhigen angebracht. Erst wenn sich der Zustand des Patienten wieder stabilisiert hat, können konfliktorientierte Methoden angewendet werden.
Wer eine Therapie machen will, sollte dies zuerst mit seinem Arzt besprechen. Der Arzt wird dann einen Psychotherapeuten vorschlagen, der die Therapierichtung anwendet, die am meisten Erfolg verspricht. Manchmal erweist sich aber während der Therapie, dass die eingeschlagene Therapieform zu keinem Erfolg führt. Dann muss unter Umständen nicht nur die Therapieform, sondern auch der Therapeut gewechselt werden. Im allgemeinen liegt jedoch bei der Beratung das Schwergewicht mehr darauf, was zur Zeit im Leben des Betroffenen geschieht, während die Psychotherapie sich mehr auf die Vergangenheit und die tieferen Gründe für die Schwierigkeiten des Patienten konzentriert.
Gruppentherapie
Die Gruppentherapie kann bei vielen verschiedenen Problemen helfen, ist aber besonders wertvoll für zurückhaltende, kontaktscheue Menschen. Die Gruppen, die sich im allgemeinen einmal wöchentlich treffen, bestehen in der Regel aus sechs bis zehn Mitgliedern und einem oder aber auch zwei Therapeuten. Die Therapeuten ermuntern die Gruppenmitglieder, über ihre Schwierigkeiten zu sprechen und sich gegenseitig bei der Überwindung ihrer Probleme zu helfen. Zusammen mit anderen, die in einer ähnlichen Lage sind, über seine Probleme sprechen zu können, hilft manchem aus seiner Isolation heraus. Viele Menschen sehen eher ein, dass sie ihre Einstellung und ihr Verhalten ändern müssen, wenn entsprechende Vorschläge von anderen Teilnehmern kommen, die vor einer ähnlichen Aufgabe stehen. Für jeden an einer Therapie Interessierten ist es wichtig, sich durch einen Arzt beraten zu lassen. Dies gilt ganz besonders, wenn gravierende Symptome vorliegen. Hier sollte sich der Patient nicht von verblüffenden Erfolgsanzeigen täuschen lassen, sondern sich an den Arzt wenden, der dann eventuell eine Überweisung an den Psychiater vornimmt.